Kein Schadensersatz für Linken-Fraktionschef nach Protestaufruf
© picture alliance / imageBROKER | Klaus Martin Höfer

Die Linke rief 2022 in Leipzig zu einer Demo auf. Ungewollt schloss sich ihr eine rechtsextreme Kleinstpartei an. Schadensersatz bekommt Linke-Fraktionschef Pellmann dafür nicht, sagt nun der BGH.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Sören Pellmann, ist im Streit um seine namentliche Nennung in dem Protestaufruf einer rechtsextremen Kleinstpartei am BGH gescheitert. Pellmann hatte in Karlsruhe für eine Geldentschädigung gekämpft, weil die Partei Freie Sachsen seiner Ansicht nach den falschen Eindruck eines gemeinsamen Protests erweckt und dadurch sein Persönlichkeitsrecht verletzt hatte. Der BGH verneinte jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz.

"Es ist bedauerlich, dass der BGH die heutige Chance verpasst hat, den Schutz vor Desinformation und politischer Vereinnahmung durch Rechtsextreme mit dem bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen effektivsten Mittel – der Anerkennung einer Geldentschädigung – zu stärken", sagte Pellmann nach der Entscheidung. "Wir werden die Begründung des BGH abwarten und prüfen, ob sich hier nicht weiterhin Fragen von verfassungsrechtlicher Bedeutung stellen, die letztlich vom Bundesverfassungsgericht beantwortet werden sollten."

Demonstrationen im September 2022

Pellmann und die Linke hatten für den 5. September 2022 an der Leipziger Oper eine Demonstration gegen die Energie- und Sozialpolitik der damaligen Ampel-Regierung angemeldet. Die Freien Sachsen meldeten daraufhin in unmittelbarer Nähe zur selben Zeit eine eigene Demonstration an. Beim Messengerdienst Telegram riefen sie zum Protest auf und zählten dabei in ihrem Beitrag auch die Namen von Pellmann sowie Linken-Urgestein Gregor Gysi auf.

Pellmann konnte am LG Leipzig eine Unterlassungsverfügung erwirken, sodass die Freien Sachsen den Telegram-Beitrag noch vor der Demo wieder löschten. Am Tag der Kundgebungen zogen Tausende linke und rechte Demonstranten durch die Leipziger Innenstadt. Ein Großaufgebot der Polizei konnte die politischen Lager weitgehend voneinander fernhalten. Es kam zu Gerangel, größere Zwischenfälle blieben aber nach Polizeiangaben aus.

Vorinstanzen waren sich uneinig

Vor Gericht kämpfte Pellmann anschließend für eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro. Als Politiker sei es für ihn wichtig, nicht mit Kräften aus dem entgegengesetzten politischen Lager in Verbindung gebracht zu werden, argumentierte er. Schon der Anschein, er paktiere mit Rechten, sei für seinen guten Ruf und seine Glaubwürdigkeit als Politiker verheerend. Seine Persönlichkeitsrechte seien durch den Protestaufruf der Freien Sachsen verletzt worden.

Das LG Leipzig gab seiner Klage im Dezember 2023 zunächst statt und verurteilte die Freien Sachsen zur Zahlung von 10.000 Euro. Das Urteil wurde später aber vom OLG Dresden wieder kassiert. Zwar sahen die dortigen Richterinnen und Richter in dem Aufruf der Splitterpartei ebenfalls einen Eingriff in Pellmanns Persönlichkeitsrecht. Doch der sei nicht schwerwiegend genug, um eine Geldentschädigung zu rechtfertigen, erklärten sie und wiesen die Klage ab. Pellmann zog gegen das Urteil vor den BGH.

BGH sieht keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Dort konnte er sich nun aber nicht durchsetzen. Pellmann stehe "unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu", teilte das Gericht mehrere Stunden nach der Verhandlung mit. Seine Revision wurde zurückgewiesen (Urteil vom 29.07.2025 – VI ZR 426/24).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgeordneten wurde nicht verletzt, führte der BGH zur Begründung aus. Denn der angegriffene Telegram-Beitrag der Freien Sachsen lasse "mehrere Deutungsalternativen zu". Ein Teil der Leser werde ihn zwar als Kooperation von Pellmann und den Freien Sachsen verstehen, räumte der Senat ein. Ein anderer Teil würde das Wort "gemeinsam" in dem Protestaufruf allerdings allein auf das verfolgte Ziel beziehen und getrennte, unabhängig voneinander organisierte Protestmärsche erwarten.

Datenverarbeitung fällt unter Medienprivileg

Auch nach der DS-GVO stehe Pellmann kein Anspruch auf Schadensersatz zu, entschied der BGH. "Denn die Verbreitung des den Namen des Klägers nennenden Beitrags auf dem Telegram-Kanal der Beklagten fällt in den Geltungsbereich des Medienprivilegs". Das Medienprivileg nach Art. 85 Abs. 2 DS-GVO in Verbindung mit § 23 Abs. 1 S. 4 MStV sei weit auszulegen und erfasse auch Äußerungen, die der politischen Meinungs- und Willensbildung dienen, so der BGH. Die Freien Sachsen hätten personenbezogene Daten – hier der Name Pellmanns – "als Anbieterin eines Telemediums zu journalistischen Zwecken verarbeitet".

Das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz beschreibt die Freien Sachsen als "rechtsextremistische Kleinstpartei". Bei der sächsischen Landtagswahl im vergangenen Jahr gewann sie 2,2% der Stimmen. Die Beklagte war zu dem Verhandlungstermin in Karlsruhe nicht erschienen. Ihr Anwalt hatte laut BGH zuvor sein Mandat niedergelegt.

Redaktion beck-aktuell, cil, 30. Juli 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

Mehr zum Thema