Merkantiler Minderwert: Nettopreis gilt
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Bei der Schätzung des merkantilen Minderwerts eines Fahrzeugs ist von Nettoverkaufspreisen auszugehen. Wurde er abweichend davon ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist der Minderwert laut BGH um einen "Umsatzsteueranteil" nach unten zu korrigieren.

Die Leasingnehmerin eines Wagens nahm den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem das Auto erheblich beschädigt worden war. Die volle Haftung der Assekuranz dem Grunde nach stand außer Streit. Ein von der Leasingnehmerin beauftragter Sachverständiger – sie war zur Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt – ermittelte einen merkantilen Minderwert in Höhe von 5.000 Euro. Die Versicherung erstattete davon lediglich eine Summe von 4.202 Euro und behielt den Umsatzsteueranteil in Höhe von 798 Euro ein.

Die Vorinstanzen ersetzten der Leasingnehmerin – ausgehend von dem geschätzten Brutto-Betrag – noch einen merkantilen Minderwert in Höhe von 5.000 Euro: Sinn und Zweck der Entschädigung des Minderwerts, der lediglich einen fiktiven Wert darstelle und dessen Realisierung völlig ungewiss sei, sprächen gegen einen Abzug des Umsatzsteueranteils. Das sah der BGH anders.

Dem VI. Zivilsenat des BGH zufolge war der vom LG berechnete merkantile Minderwert (für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde) nach unten zu korrigieren, indem ein entsprechender "Umsatzsteueranteil" abgezogen wird (Urteil vom 16.07.2024 – VI ZR 243/23). Davon gehe auch die herrschende Meinung jedenfalls im Fall eines geschädigten Unternehmers aus, der sich auch der BGH anschließt.

Nettoverkaufspreis ist entscheidend

"Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des (beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur) (…). Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen (…)," urteilten die Richterinnen und Richter. Anderenfalls käme es zu einer Bereicherung der Geschädigten. Eine solche sei von dem Wertinteresse, das Gegenstand des Entschädigungsanspruchs aus § 251 BGB ist und auf Ausgleich der Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie es sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde, und dem durch das schädigende Ereignis verminderten Wert gerichtet ist, nicht erfasst. Sie würde über das Wertinteresse hinausgehen (die Geschädigte hätte "mehr zur Verfügung als ohne den Unfall") und so zu einer Überkompensation führen.

Ob der merkantile Minderwert hier vom Sachverständigen ausgehend vom Netto- oder vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, habe das LG allerdings nicht geklärt, moniert der BGH, der deshalb nicht abschließend entscheiden konnte.

Anmerkung: Der Senat hat am selben Tag unter den Aktenzeichen VI ZR 188/22, VI ZR 205/23 und VI ZR 239/23 drei weitere Verfahren zu dieser Rechtsfrage entschieden (ergänzt am 07.08.2024, 14.20 Uhr, mam).

BGH, Urteil vom 16.07.2024 - VI ZR 243/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 5. August 2024.