Zucht in Unordnung: Vertauschter Samen führt nicht zu "Minderwert" eines Fohlens
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Gibt es Schadensersatz, wenn der Tierarzt bei der Deckung einer Stute die Samen vertauscht? Durchaus, aber entgangener Gewinn wegen eines "minderwertigen" Fohlens gehört nicht dazu. Dafür ist das Wunder des Lebens zu komplex, meint der BGH.

Die Deckung einer Stute mit dem Samen eines unerwünschten Hengstes ist eine Pflichtverletzung des handelnden Veterinärs. Vom anfallenden Schadensersatz waren eine gesondert angefallene Decktaxe sowie vorgerichtliche Anwaltskosten umfasst. Einen Schadensersatz aus entgangenem Gewinn (§ 252 BGB) wegen "Minderwertigkeit" des Fohlens hat der BGH nun verneint (Urteil vom 14.10.2025 – VI ZR 14/25).

Dieses Mal sollte es klappen: Zum dritten Mal besorgte eine Pferdebesitzerin den Samen eines stattlichen "Springpferdevererbers", um die eigene Stute damit besamen zu lassen. Der Eingriff zeigte Erfolg, doch das "Produkt" dieser Prozedur war ein falsches. Der Tierarzt hatte zwei Behälter vertauscht und stattdessen den Samen des Dressurhengstes eines völlig anderen Gestüts eingesetzt.

Aus übergegangenem Recht verlangte die Tochter der Besitzerin nun Schadensersatz. Sie machte geltend, dass sie vor der Anmeldung vom Zuchtverband erst dem Gestüt des tatsächlichen Vaters eine Decktaxe von 1.200 Euro zahlen musste. Außerdem habe ein Sachverständigengutachten – das seinerseits über 1.000 Euro kostete – gezeigt, dass Fohlen des Dressurhengstes im Vergleich zum eigentlich gewollten "Springpferdevererbers" einen Minderwert von 2.500 Euro hätten. Neben den Sachverständigenkosten verlangte sie auch diesen Minderwert als entgangenen Gewinn (§ 252 BGB).

Das AG Tostedt sowie auch das LG Stade bejahten einen Schadensersatz bezüglich der Decktaxe und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Sie sahen den Tierarzt aber nicht in der Pflicht, auch den "Minderwert" des Fohlens zu bezahlen. Auf die Revision der Klägerin schloss sich der BGH dem nun an.

Vergleich mit gesundem Springpferd hinkt

Für einen Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn (§ 249 Abs. 1, 252 BGB) müsse der Geschädigte bestimmte "Anknüpfungstatsachen" darlegen, aus denen sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Gewinn realisieren würde. Der VI. Zivilsenat betonte, dass an diesen Nachweis keine zu strengen Anforderungen zu stellen seien, im Gegenteil bestünde eine gewisse Beweiserleichterung (§ 287 ZPO).

Zu Recht sei die Vorinstanz davon ausgegangen, dass solche Tatsachen hier nicht hinreichend vorgetragen worden seien. Die Fortpflanzung zweier Lebewesen unterliege derart vielen nicht vorhersehbaren Unsicherheiten, dass sich die bestimmte Entwicklung eines Fohlens nicht sicher prognostizieren lasse. Wäre die Besamung hier durch den gewünschten Hengst erfolgt, sei nicht vorherzusehen gewesen, ob es zu Fehlbildungen oder im schlimmsten Fall zu einer Totgeburt gekommen wäre. Es gebe hierzu zwar Erfahrungssätze, für die Feststellung eines entgangenen Gewinns bleibe das indes zu spekulativ. Außerdem habe die Stute noch nicht etwa mehrere Fohlen hervorgebracht, an denen sich die "Qualität" ihrer Nachkommen bemessen lasse. Überhaupt sei sie keine Zuchtstute.

In der Revision machte die Tochter geltend, dass sich der Verkehrswert eines Embryos bereits ab der Verschmelzung von Samen und Eizelle bemessen lasse. Das setze allerdings voraus – so nun der Senat –, dass die Besamung mit dem gewünschten Zuchthengst erfolgreich gewesen wäre. Das sei indes gerade nicht festgestellt, schließlich waren zuvor schon zwei Besamungen durch den Hengst erfolglos geblieben. Selbst wenn die verschmolzene Eizelle Aufschluss über den Wert geben könne, bleibe das in diesem Fall trotzdem zu spekulativ.

Kein Ersatz von Privatgutachten

Das vorgelegte Sachverständigengutachten ändere daran nichts. Es führe nur abstrakt aus, dass die Fohlen der beiden Hengste allgemein von unterschiedlichem Wert seien. Dabei setze es ebenfalls zwei vergleichbare, gesunde Fohlen voraus.

Auch die Kosten für dieses Gutachten seien nicht zu ersetzen. § 249 BGB lasse nur Schadensersatz für Sachverständigenkosten zu, wenn sie mit den auszugleichenden Schäden "unmittelbar verbunden" und zur Begutachtung "erforderlich und zweckmäßig" seien. Ein Gutachten über eine allein abstrakte Wertdifferenz hypothetischer Fohlen erfülle das gerade nicht.

BGH, Urteil vom 14.10.2025 - VI ZR 14/25

Redaktion beck-aktuell, tbh, 4. November 2025.

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