Wurde ein Urteil durch eine Richterin oder einen Richter gefällt, die oder der entgegen § 309 ZPO nicht bei der mündlichen Verhandlung dabei war, ist die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren nachzuholen. Entscheide das Berufungsgericht dann nur per Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO, verletze das den Anspruch auf rechtliches Gehör, so der BGH (Beschluss vom 16.04.2025 – VII ZR 126/23).
Zugrunde lag ein Verfahren vor dem LG Augsburg. Eine Klägerin machte Ansprüche wegen einer mangelhaften Tiefgaragenabdichtung geltend, wozu im September 2021 mündlich verhandelt wurde. Die Richterin setzte einen Verkündungstermin an, verließ aber noch vor der Verkündung das Gericht. Sie wurde durch eine zweite Richterin ersetzt, die das klageabweisende Urteil verkündete – ohne neu zu verhandeln.
Dagegen legte die Klägerin zum OLG München Berufung ein, das diese allerdings per Zurückweisungsbeschluss verwarf. Ein Fehler, wie der BGH nun entschieden hat.
Doppelte Rechtsverletzung
Das OLG hatte erkannt, dass die zweite Richterin nach der Einwechslung gegen die ZPO verstoßen hatte: § 309 ZPO schreibt vor, dass ein Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden kann, die bei der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung dabei waren. Das Urteil hatte auf der mündlichen Verhandlung mit der ersten Richterin beruht, sei also insofern rechtsfehlerhaft gewesen.
Nach der Argumentation des OLG begründe das die Berufung allerdings nicht. "Insbesondere" müsse es als Berufungsgericht nicht neu mündlich verhandeln. Eine Abänderung des Ersturteils sei weder aus rechtlichen noch tatsächlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt, es dürfe folglich per Beschluss entscheiden. Die Parteien hätten über den Inhalt eines Vertrages gestritten – eine Frage, die auch im Schriftverkehr habe erörtert werden können.
Der BGH führte dazu aus, dass die Missachtung von § 309 ZPO zugleich auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) mit sich bringe. Dieser Fehler ließe sich im Berufungsverfahren zwar heilen, nicht jedoch, wenn auch dort keine mündliche Verhandlung geführt werde. Die Klägerin habe weder vor dem LG noch dem Berufungsgericht die Möglichkeit gehabt, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung darzulegen. Damit habe das Berufungsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör ebenfalls – im Grunde fortgesetzt - verletzt.
Kein Zurück von der Verhandlung
Der VII. Zivilsenat stellte klar, dass eine mündliche Verhandlung nicht grundsätzlich verpflichtend sei – auch nicht wegen des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es sei Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, wie rechtliches Gehör zu gewähren ist. Ein handfester Anspruch auf eine mündliche Verhandlung habe ein Kläger daher nur, wenn das Gesetz die Verhandlung ausdrücklich anordne. § 309 ZPO sei gerade eine solche Anordnung. Wenn das Urteil durch einen Richter gefällt worden sei, der nicht der Verhandlung beigewohnt hatte, sei eine (neue) mündliche Verhandlung "in jedem Fall" geboten. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass eine zwingende mündliche Verhandlung die Entscheidung noch wenden könne.
Aus diesen Gründen kassierte der BGH den Beschluss und verwies die Sache, entgegen dem Wunsch der Klägerin, nicht an das LG Augsburg, sondern an einen anderen Senat das OLG München zurück.