Unwahre Äußerungen im Räumungsprozess nicht automatisch Kündigungsgrund

Ob bewusst unwahre Behauptungen durch den Mieter während eines Räumungsprozesses eine Kündigung rechtfertigen, muss laut BGH im Einzelfall entschieden werden. Unter anderem sei zu berücksichtigen, ob der Mieter durch sein provokantes Verhalten eine unberechtigte Kündigung verhindern wolle.

Die Vermieterin einer Berliner Mehrfamilienhauswohnung hatte ihren Mietern wegen angeblich vertragswidriger Hundehaltung ordentlich gekündigt. Vor Gericht warf die Mieterin der Vermieterin vor, sie aus dem Haus mobben zu wollen. Auch vom Hausverwalter seien die Mieter beleidigt worden mit Worten wie "Scheiß Ausländer" und "Assis". Zudem habe sie zufällig ein Gespräch zwischen der Eigentümerin und einem Kaufinteressenten mitbekommen, wonach das Haus verkauft werden solle. Dies gehe aber nur, wenn alle Mieter aus dem Haus ausgezogen sind. Gestützt auf diese Aussage kündigte die Eigentümerin nunmehr fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Landgericht Berlin gab der Räumungsklage nach §§ 546 Abs. 1, 985 BGB wegen bewusst unwahrer Äußerungen der Mieter statt.

Der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hob die Entscheidung auf (Urteil vom 25.10.2023 – VIII ZR 147/22). Ehrverletzende Äußerungen im Räumungsprozess seien nicht automatisch als Kündigungsgrund einzuordnen. Vielmehr müssten die Äußerungen der Mieter, so die Karlsruher Richterinnen und Richter, im Einzelnen abgewogen werden.

BGH: Bedeutung und Tragweite der unwahren Behauptung zu bewerten

Der BGH warf dem LG vor, die Bedeutung und Tragweite der unwahren Behauptung des Mieters unter Berücksichtigung des gegebenen Sinnzusammenhangs mit dem Verhalten der Vermieterin beziehungsweise ihres Hausverwalters nur unzureichend bewertet zu haben. Die Vorwürfe des Mieters ließen – entgegen der Ansicht des LG – nicht bedenkenlos auf eine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB schließen. In die gebotene Würdigung hätte ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters einbezogen werden müssen. Das LG hätte daher prüfen müssen, ob das Vorbringen der Mieter zu den beleidigenden Äußerungen des Hausverwalters ihnen gegenüber ("Scheiß Ausländer", "Assis"), das sie unter Beweis gestellt hatten, der Wahrheit entspreche. Auch hätte berücksichtigt werden müssen, ob das unredliche Prozessverhalten der Mieter der Abwehr einer unberechtigten Kündigung des Vermieters dienen sollte. Dann könnte dem Fehlverhalten ein geringeres Gewicht beizumessen sein.

Nachträglich entstandene Kündigungsgründe – wie angeblich gegen den Hausverwalter gerichtete Morddrohungen in einem Telefonat – können dem BGH zufolge nicht nach § 573 Abs. 3 Satz 2 BGB nachgereicht werden. Hier fehle es schon an Feststellungen im Berufungsurteil. Darüber hinaus könnten solche Gründe zum Schutz des Mieters nur ausnahmsweise dann herangezogen werden, falls die Wirksamkeit der ursprünglichen Kündigung feststehe. Der Vermieter könne aufgrund neuer Sachverhalte jederzeit neu kündigen, sodass er nicht benachteiligt werde.

BGH, Urteil vom 25.10.2023 - VIII ZR 147/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 6. Dezember 2023.