Rechtsprechungsänderung: Einheitliche Verjährungshemmung im selbstständigen Beweisverfahren

Die Hemmung der Verjährung endet jetzt für alle behandelten Mängel einheitlich mit dem Abschluss eines selbstständigen Beweisverfahrens. em VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zufolge ist nicht mehr entscheidend, wann die Beweisaufnahme für jeden einzelnen Mangel abgeschlossen wurde.

In einem Streit über Baumängel war das Oberlandesgericht Stuttgart (ZfBR 2022, 361) – wie es selbst klar hervorhob – nicht der herrschenden Meinung gefolgt: Es war davon ausgegangen, dass die Verjährung für eine Forderung wegen eines bestimmten Mangels, der neben anderen Mängeln Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens gewesen war, bis zum Abschluss des gesamten Beweisverfahrens gehemmt war. Die Hemmung der Verjährung habe einheitlich 2015 für alle begutachteten Mängel geendet – auch wenn die Untersuchung der betreffenden Risse in einem Bauelement schon seit Jahren abgeschlossen gewesen sei.

Die Mehrheit der Oberlandesgerichte war im Gefolge einer Entscheidung des BGH (NJW 1993, 851) dagegen davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist jeweils mit dem Ende der Beweisaufnahme für jeden einzelnen Mangel wieder laufe – auch wenn die Begutachtung weiterer Mängel noch andauere.

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat wendet sich aber in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung von seiner früheren Rechtsprechung ab und hat die Ansicht des OLG Stuttgart bestätigt.

BGH: Rechtssicherheit und Prozessökonomie

Die Karlsruher Richter stellen für das Ende der Hemmung jetzt einheitlich auf den Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens ab. Die Rechtssicherheit gebiete es, bei der Auslegung von Verjährungsvorschriften eng am Wortlaut des Gesetzes zu bleiben.

Wenn in § 204 Abs. 2 S. 1 BGB stehe, dass die Hemmung sechs Monate nach "Beendigung des eingeleiteten Verfahrens" endet, so der BGH, müsse das selbstständige Beweisverfahren insgesamt sachlich abgeschlossen sein. Dazu müssten die in dem Beweisbeschluss nach § 490 Abs. 2 ZPO durch das Gericht gestellten Fragen insgesamt abgearbeitet worden sein.

Der VII. Zivilsenat weist ferner darauf hin, dass es einem geordneten und zügigen Abschluss des Rechtsstreits nicht dienlich wäre, wenn die Parteien gezwungen wären, Ansprüche wegen einzelner Mängel vorab gesondert einzuklagen, um ihre Verjährung zu vermeiden. Zumal sie später gegebenenfalls – nach Abschluss weiterer Gutachten zu anderen Mängeln – die restlichen Forderungen dann über eine Klageerweiterung dem zuerst gestarteten Klageverfahren hinzufügen würden.

BGH, Urteil vom 22.06.2023 - VII ZR 881/21

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 9. August 2023.