Eine Subunternehmerin klagte an der Grenze zur Verjährung auf Restwerklohn in Höhe von rund 200.000 Euro aus einem Werkvertrag über Malerarbeiten. In der Klageschrift gaben die Prozessbevollmächtigten eine veraltete Anschrift der Hauptunternehmerin an – diese hatte schon fast drei Jahre ihren Geschäftssitz verlegt. Die neue Anschrift war im Handelsregister eingetragen und so auch auf ihrer Internetseite zu finden. Wegen der falschen Adressangabe verzögerte sich die Zustellung des Schriftstücks. Dabei verschlimmerte der Zusteller die Situation: Statt die Klage als unzustellbar an das Gericht zurückzusenden, warf er die Klageschrift an der genannten Adresse bei einem Dritten ein. Insgesamt ergab sich damit eine Verzögerung von 20 Tagen bis zur Neuzustellung. Der Auftraggeber erhob die Einrede der Verjährung: Die Klage sei erst nach dem Jahreswechsel zugestellt worden.
Das KG sah dies ebenso: Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wirke nicht nach § 167 ZPO (Rückwirkung der Zustellung) auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage im November zurück, da die Zustellung nicht "demnächst" erfolgt sei. In diesem Rahmen werde eine von der Partei verschuldete Verzögerung von 14 Tagen noch akzeptiert. Hier gingen aber die gesamten 20 Tage auf das Konto des Unternehmens. Dass der Zusteller die Klageschrift fehlerhaft in den Briefkasten des Dritten eingelegt habe, statt sie als unzustellbar ans LG zurückzusenden, entlaste es nicht.
Postzustellung ist Pflicht des Gerichts
Das sah der BGH anders. Der VII. Zivilsenat hob das Urteil des OLG auf und verwies die Sache dorthin zurück (Urteil vom 10.10.2024 – VII ZR 240/23). Zur fehlerhaften Sachbehandlung durch das Gericht (die nicht der Partei zur Last fällt) gehörten auch Fehler des Zustellers, entschieden die Karlsruher Richterinnen und Richter. Die Zustellung der am 29. November 2018 beim LG eingegangenen Klageschrift am 12. Februar 2019 sei "noch demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt. Die Verzögerung, die dadurch entstanden sei, dass der Zusteller die Klage in den Briefkasten eines Dritten eingelegt habe, anstatt sie an das Gericht zurückzusenden, sei nicht der Firma zuzurechnen. Es handele sich um eine Verzögerung im Geschäftsablauf des Gerichts. Das Gericht müsse die Klage von Amts wegen zustellen und beauftrage dazu das "Zustellorgan".