Fiktiver Haushaltsführungsschaden: Schätzung muss nachvollziehbar begründet werden

Der Mindestlohn spiele bei der Berechnung der Kosten für eine fiktive Haushaltshilfe keine Rolle, entschied ein LG und setzte ohne große Begründung acht Euro an. Der BGH akzeptiert das nicht: Der Mindestbruttolohn bilde die Untergrenze für die Ermittlung des für die Schätzung maßgeblichen Nettolohns.

Eine Autofahrerin wurde 2016 bei einem Auffahrunfall verletzt. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernahm den Sachschaden, den sie außergerichtlich regulierte. Eine Haushaltshilfe kam nicht zum Einsatz. Die Frau machte aufgrund ihrer Verletzung vor Gericht unter anderem einen fiktiven Haushaltsführungsschaden für einen Zeitraum von 13 Tagen geltend, insgesamt 141,75 Stunden. Dabei ging sie von einem Stundensatz von 14 Euro aus.

Das AG sprach der Fahrerin einen fiktiven Haushaltsführungsschaden nach §§ 823 Abs. 1249 Abs. 2 S. 1, 843 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, §§ 1, 3 Satz 1 PflVG in Höhe von 1.125 Euro (bei angenommenen 93,75 auszugleichenden Stunden und einem Stundensatz von zwölf Euro) zu. Das LG kürzte bei der fiktiven Berechnung nach § 287 ZPO jedoch den Schaden auf 879,44 Euro (bei einer auszugleichenden Stundenanzahl von 109,93) und setzte dann – ohne vertiefte Begründung – einen Nettolohn von acht Euro pro Stunde an. Das Mindestlohngesetz gelte hier nicht, weil es ausdrücklich auf den Bruttolohn abstelle, so die Begründung unter Hinweis auf zwei Urteile des OLG München von 2021 und 2014 – die beide Unfälle von 2009 (Mindestlohn 6,53 Euro/West, sechs Euro/Ost) betrafen. Bei fiktiver Berechnung sei es schließlich auch egal, dass man für diesen Preis keine legale Hilfe bekomme. Die Revision der Frau war erfolgreich.

Entschädigungssätze für Zeugen: Allein keine Basis

Der VI. Zivilsenat des BGH hob das Urteil des LG auf und verwies die Sache dorthin zurück (Urteil vom 05.11.2024 – VI ZR 12/24). Das LG habe bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens zu Unrecht die Vergütung einer fiktiven Ersatzkraft mit acht Euro netto pro Stunde ohne eine "nachvollziehbare Darlegung der Schätzungsgrundlagen" bemessen. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn spiele bei dessen fiktiver Bemessung sehr wohl eine Rolle, stellten die Karlsruher Richterinnen und Richter klar. Zudem könne eine Begründung nicht einfach pauschal unter Verweis auf zwei Urteile zu Unfällen von 2009 ersetzt werden, da das damalige maßgebliche Lohnniveau nicht ohne weiteres auf den hier 2016 (Mindestlohn 8,50 Euro) entstandenen Haushaltsführungsschaden übertragbar sei.

Zwar weise das LG zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem in § 1 MiLoG festgesetzten Mindestlohn um einen Bruttostundenlohn handele, während für die fiktive Schadensbemessung der Nettolohn maßgeblich sei. "Dies ändert jedoch nichts daran, dass der in dem maßgeblichen Zeitraum geltende Mindestlohn die Untergrenze des Bruttolohns bildet, auf dessen Grundlage die Ermittlung des für die Schätzung maßgeblichen Nettolohns erfolgen kann", führten die Bundesrichterinnen und -richter aus. Auch die Orientierung am gesetzlichen Mindestlohn ändere aber nichts daran, dass der Tatrichter "nachvollziehbare Gründe" angeben müsse, welcher Lohn im Einzelfall für die (fiktive) Hilfskraft zu zahlen wäre.

Keine Zustimmung beim Senat fand die von der Revision in den Raum gestellte und vom LG Tübingen und Teilen der Literatur vorgeschlagene Berechnung anhand der Zeugenentschädigung aus § 21 Satz 1 JVEG (Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung). Diese Methode sei "aus Rechtsgründen als alleinige Schätzungsgrundlage ungeeignet". Die Zeugenentschädigung solle – anders als die Schadensschätzung nach § 287 ZPO – nicht einen konkreten Schaden "vollständig – aber nicht übermäßig –" kompensieren. 

BGH, Urteil vom 05.11.2024 - VI ZR 12/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 18. Dezember 2024.