Angeklagter kam nicht zu Berufungsverhandlung
Ein Mann wurde vom Amtsgericht Duisburg wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein. Acht Monate später zur Berufungsverhandlung erteilte er seinem Verteidiger den Auftrag, ihn dort zu vertreten. Dieser berief sich auf die ihm erteilte StPO-Vollmacht, die ihn dazu ermächtigte, den Angeklagten "auch im Fall seiner Abwesenheit“… "in allen Instanzen zu vertreten". Das Landgericht Duisburg verwarf die Berufung, weil der Angeklagte nicht erschienen war. Die Vertretungsvollmacht für das Strafverfahren insgesamt war den Richtern zu allgemein formuliert – sie verlangten eine Vollmacht, die genau für diesen Hauptverhandlungstermin erteilt worden war. Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte zum Oberlandesgericht Düsseldorf, welches die Sache wegen divergierender oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung dem BGH vorlegte. Dieser hielt die Auffassung des OLG Düsseldorf für zutreffend.
Vertretungsvollmacht kann pauschal formuliert sein
Der BGH stellte fest, dass der Wortlaut des § 329 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO kein Erfordernis enthält, derartig spezifisch zu formulieren. Das Gesetz enthalte überhaupt keine Vorgaben zum Inhalt der Vertretungsvollmacht. Der Gesetzgeber, der diese Regelung zuletzt wegen eines Urteils des EGMR (NStZ 2013, 350) geändert habe, sei trotz einer entsprechenden Gesetzesinitiative des Bundesrats der Ansicht gewesen, dass es einer solchen Spezifizierung nicht bedürfe. Der 3. Strafsenat begründete weiter, dass die Norm nicht anders auszulegen sei als die anderen Vorschriften der StPO, die die Vertretung des Angeklagten durch den Verteidiger zulassen. Für § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO etwa, die Vertretung in einer Hauptverhandlung nach Einspruch gegen einen Strafbefehl, habe der BGH bereits entschieden, dass die pauschale Vertretungsvollmacht ausreicht (NJW 1956, 1727). Angesichts der Textgleichheit sehen die Karlsruher Richter keinerlei Veranlassung, strengere Voraussetzungen an die Vertretungsvollmacht für die Berufungshauptverhandlung zu knüpfen.
Beschleunigungsgrundsatz spricht nicht dagegen
Der Zweck der Norm, die unter anderem das Verfahren beschleunigen soll, indem es dem Angeklagten die Möglichkeit einräumt, sich vertreten zu lassen, rechtfertigt es nach Ansicht der Bundesrichter nicht, höhere Anforderungen an die Vollmacht zu stellen. Denn das Gesetz räume der Vertretung einen Vorrang gegenüber der Berufungsverwerfung ein. Ein sachlich unrichtiges Urteil soll dem BGH zufolge nicht nur durch einfaches Nichterscheinen des Angeklagten rechtskräftig werden. Eventuelle Nachteile durch die anwaltliche Vertretung seien wegen des Verböserungsverbots bei nur durch ihn eingelegter Berufung zu vernachlässigen. Die Vertretung sei auch gegenüber der Verwerfung des Rechtsmittels vorzugswürdig. Und die Entlastung der Gerichte sei durch das Gesetz nicht gewollt gewesen. Der BGH fordert daher nur den eindeutigen Bezug zu dem konkreten Strafverfahren in der Vollmacht.