Kein Vertragsschluss im Vergabeverfahren bei geändertem Zuschlag

Nimmt die Bieterin in einem Vergabeverfahren einen geänderten Zuschlag nicht bedingungslos an, kommt kein Vertrag zustande. Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Neuausschreibung des Projekts kann sie nur dann haben, wenn es sich tatsächlich um ein wirtschaftlich identisches Vorhaben handelt. Das hat der Bundesgerichtshof in einer Vergaberechtssache mit Urteil vom 03.07.2020 entschieden.

Erteilung des Zuschlags unter veränderten Bedingungen

Die Vergabestelle, eine Landesstraßenbaubehörde, hatte ein Straßenbauvorhaben ausgeschrieben. In dem Zuschlagsschreiben an die Bieterin verschob die Behörde die Bauzeit um etwa zwei Monate nach hinten. Die Adressatin antwortete, sie könne den Auftrag wegen der verspäteten Vergabe nur unter noch zu beziffernder Mehrvergütung annehmen. Daraufhin hob die Vergabestelle das Verfahren auf. In einem neuen Vergabeverfahren über denselben Bauabschnitt - aber unter Wegfall der Leitplanken und Veränderung des Straßenaufbaus - erhielt ein anderes Unternehmen den Zuschlag.

Baufirma klagt

Die Baufirma verlangte nun die Feststellung, dass der Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei, hilfsweise Schadensersatz in Höhe von zuletzt rund 170.000 Euro und "äußerst hilfsweise" die Feststellung, dass der veränderte Zuschlag nach Vergaberecht rechtswidrig gewesen sei. Das Landgericht Magdeburg gab dem Hauptantrag statt, das Oberlandesgericht Naumburg hingegen wies die Klage im Wesentlichen ab. Allerdings stellte es fest, dass der modifizierte Zuschlag tatsächlich gegen das im Vergaberecht bestehende Nachverhandlungsverbot verstoßen hatte.

Ein Vertrag ist nicht zustande gekommen

Letzteren Punkt musste der Bundesgerichtshof nicht entscheiden, aber das Urteil des OLG hielt auch ansonsten der Überprüfung stand. Die Karlsruher Richter wiesen auf den Grundsatz aus dem BGH-AT hin: Ein Gegenangebot kann nach § 150 Abs. 2 BGB nur mit "Ja!" angenommen werden. Jegliche Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen stelle eine Ablehnung des Firmenangebots dar. Dieser "modifizierte Zuschlag" sei als ein neues Angebot zu betrachten, welches das Unternehmen wiederum abgelehnt habe, indem es eine höhere Vergütung als Ausgleich für die Verzögerung gefordert habe. Es habe nie übereinstimmende Willenserklärungen über die wesentlichen Bedingungen dieses Vorhabens gegeben, erklärte das Gericht.

Kein Anspruch auf Schadensersatz

Einen Schadensersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns aus Verschulden bei Vertragsschluss in § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verbindung mit §§ 280, 241 Abs. 2 BGB lehnte der Bundesgerichtshof ebenfalls ab, denn die Neuausschreibung des Straßenbauvorhabens war wegen der fehlenden Schutzplanken und des veränderten Straßenaufbaus nicht wirtschaftlich identisch mit der ersten Ausschreibung. Es habe sich also nicht um denselben Auftrag, der unter Verletzung der Sorgfaltspflichten der potenziellen Vertragspartnerin - der Bieterin - vergeben worden sei, gehandelt.

BGH, Urteil vom 03.07.2020 - VII ZR 144/19

Redaktion beck-aktuell, 30. Juli 2020.