Verstoß eines Schiedsspruchs gegen den ordre public

Ein Schiedsspruch ist nicht nur einer gerichtlichen Evidenzkontrolle unterworfen, sondern kann bei Verstoß gegen elementare Regeln der Wettbewerbsfreiheit laut Bundesgerichtshof vollumfänglich überprüft werden. Der Kartellsenat hob eine Entscheidung des Schiedsgerichts als wettbewerbswidrig auf, mit der eine Steinbruchbetreiberin zur Herausgabe ihrer Betriebsfläche verurteilt worden war. Die Entscheidung müsse vollumfänglich überprüfbar sein, um das elementare öffentliche Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen. 

Pachtvertragskündigung als Zwangsmittel zum Verkauf

Die Eigentümerin eines Waldes verpachtete zwei dort befindliche Steinbrüche an zwei unterschiedliche Unternehmen. Die Pachtzinsen waren umsatzabhängig. Eine der Pächterinnen besaß an ihrem Steinbruch außerdem ein Erbbaurecht, auf dessen Grundlage sie auch eine eigene Aufbereitungsanlage betrieb. Das Erbbaurecht war an den Pachtvertrag gekoppelt – es sollte auch mit ihm enden. 2017 kündigte die Waldeigentümerin den Pachtvertrag mit ihr und versuchte, sie dazu zu bewegen, ihren Betrieb an die andere Pächterin zu verkaufen oder sich mit der anderen Unternehmerin zusammenzuschließen. Das Bundeskartellamt verhängte deshalb eine Geldbuße an die Eigentümerin wegen Verstoßes gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens. 2018 sprach die Eigentümerin im Rahmen eines Schiedsverfahrens eine zweite Kündigung aus. Auch hier stand die Absicht, beide Steinbrüche an ein einziges Unternehmen zu verpachten, im Vordergrund. Sie versprach sich davon, durch fehlende Konkurrenz höhere Pachtzinsen zu erzielen. Das Schiedsgericht entschied 2020 in ihrem Sinne, befand ihre Kündigung für wirksam und verurteilte die Pächterin, ihre Betriebsfläche an die Eigentümerin herauszugeben. Auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte die Pächterin keinen Erfolg. Erst der BGH gab ihrer Rechtsbeschwerde teilweise statt.

Schiedsspruch ist vollumfänglich überprüfbar

Ein Schiedsspruch könne nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO aufgehoben werden, wenn seine Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich nicht vereinbar ist, so der BGH. Den Karlsruher Richtern zufolge gehören die Verbote nach den §§ 19 bis 21 GWB zu den elementaren Grundlagen des deutschen Rechts, die auch im Schiedsverfahren nicht verletzt werden dürfen. Entgegen dem OLG Frankfurt am Main sei die gerichtliche Überprüfung diesbezüglich auch nicht auf eine Evidenzkontrolle beschränkt, sondern sowohl tatsächlich als auch rechtlich ohne jegliche Einschränkung durchführbar. Keine Rechtsordnung könne es hinnehmen, dass Verstöße gegen ihre grundlegendsten Normen durch ihre eigenen Gerichte bestätigt würden – ganz gleich, ob offenkundig oder nicht. Immerhin dienten die wettbewerbsbeschränkenden Verbote nicht nur den Parteien des Schiedsverfahrens, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb. Außerdem kann dem Kartellsenat zufolge bei einer bloßen Evidenzkontrolle komplexer Sachverhalte übersehen werden, dass ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt.

Verstoß gegen den ordre public

Der Schiedsspruch verstößt den Karlsruher Richtern zufolge gegen die öffentliche Ordnung, soweit er die Pächterin zur Räumung und Herausgabe des Steinbruchs verurteilt hatte. Die Kündigung des Pachtvertrags habe einen unzulässigen Zwang nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 GWB auf die Antragstellerin ausgeübt, da sie dieser nur die Wahl ließ, ihre wirtschaftliche Existenz aufzugeben oder dem Willen der Eigentümerin, ihren Betrieb mit der anderen Pächterin gemäß § 37 Abs. 3 Nr. 2 GWB zusammen zu führen. Die Kündigung sei deshalb nach § 134 BGB unwirksam. Dabei sei unerheblich, dass die Eigentümerin an sich nach § 581 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 544 Satz 1 BGB zur Kündigung berechtigt ist. Denn auch eine berechtigte Kündigung kann dem Kartellsenat zufolge gegen § 21 GWB verstoßen, wenn sie einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt. Die beabsichtigte Veräußerung des Betriebs an die andere Pächterin begründe entgegen der Ansicht der Frankfurter Richter auch ein Zusammenschluss nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, da die Übertragung der gesamten Betriebsanlagen inklusive des Kundenstamms und der Absatzorganisation der Antragstellerin geplant war. 

Redaktion beck-aktuell, 14. Dezember 2022.