Verschuldete Säumnis im Anwaltsprozess in eigener Sache

Wird ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt in einem Prozess mit Anwaltszwang für eine gewisse Zeit prozessunfähig, muss er sich grundsätzlich vertreten lassen. Eine Ausnahme davon besteht laut Bundesgerichtshof nur dann, wenn der Jurist gewichtige Gründe für seine Abwesenheit bei einem Termin darlegt. Anderenfalls habe er die Säumnis verschuldet.

Mehrere Terminsverlegungen wegen chronischer Erkrankung

Eine Rechtsanwältin verklagte zwei Kolleginnen wegen einer angeblich fehlerhaften Bearbeitung eines Scheidungsmandats auf Schadensersatz. Zum Verhandlungstermin teilte sie mit, sie leide schon seit Jahren unter anderem an Migräne und einer Autoimmunerkrankung, und erschien nicht. Das LG Essen wies ihre Klage durch Versäumnisurteil ab. Nachdem ihr Einspruch gescheitert war, legte sie Berufung ein. Sie erkrankte abermals, woraufhin der Haupttermin zwei Mal verlegt wurde. Die Klägerin berief sich unter anderem auf ihren Gesundheitszustand. Nachdem sie der Verhandlung beim OLG Hamm ferngeblieben war, erging auch dort ein Versäumnisurteil. Mit dem Einspruch war sie nur kurzzeitig siegreich. Mehrere Verlegungsanträge und ein Befangenheitsantrag, die am 05.02.2021 in ihrer Abwesenheit verhandelt wurden, missglückten. Gegen das zweite Versäumnisurteil legte sie Revision beim BGH ein – ohne Erfolg.

Anwaltliche Sorgfaltsanforderungen entscheidend

Dem IX. Zivilsenat zufolge war die Revision unzulässig. Die Rechtsanwältin habe nicht schlüssig dargetan, dass sie den Termin am 05.02.2021 unverschuldet versäumt habe. Der BGH betont, dass die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen auch für eine Anwältin bestehen, die sich nach § 78 Abs. 4 ZPO selbst vertritt. Da sie bereits in den Vorinstanzen wegen ihres schlechten Gesundheitszustands mehrfach um Fristverlängerung und Terminsverlegung habe bitten müssen, hätte sie Vorkehrungen für eine kurzfristige Migräneattacke treffen und einen Vertreter zu dem Termin entsenden müssen. Denn im Verfahren sei sie nicht als Beteiligte, sondern als Anwältin zu behandeln. Zu ihren Pflichten gehöre daher auch die Wahrung von Fristen und die Wahrnehmung anberaumter Termine. Ihren Anträgen, so die Karlsruher Richter weiter, könnten keine erheblichen Gründe nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Verlegung entnommen werden. Dies gelte insbesondere für ihren Hinweis auf die gegenwärtige Corona-Pandemie und ihre Vorerkrankung. Auch in diesem Zusammenhang hätte sie Vorsorge für eine Vertretung treffen müssen.

Keine Verletzung rechtlichen Gehörs

Laut BGH musste das OLG der Juristin nicht die Möglichkeit verschaffen, persönlich am Verhandlungstermin teilzunehmen. Sie habe bereits genügend zur Sache vorgetragen. Die Beauftragung eines Vertreters habe sie nicht deswegen ablehnen dürfen, weil sie persönlich an einer ihre Angelegenheiten betreffenden mündlichen Verhandlung habe teilnehmen wollen. Das bloße Anwesenheitsinteresse sei durch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt.

BGH, Urteil vom 02.12.2021 - IX ZR 53/21

Redaktion beck-aktuell, 22. Februar 2022.