Fall Anis Amri: BGH verpflichtet Untersuchungsausschuss zur Beweiserhebung über Geheimdienstakten

Oppositionspolitiker im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Fall Anis Amri haben vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe einen Erfolg erzielt. Der Ausschuss muss noch einmal über Beweisanträge abstimmen und diesen zustimmen, sofern sie von einem Viertel der Mitglieder unterstützt werden. Das entschied die zuständige Ermittlungsrichterin in einem Beschluss vom 30.09.2018. Mit Beweisanträgen kann der Ausschuss von Behörden offiziell die Herausgabe von Akten oder die Bereitstellung von Zeugen verlangen. Der Ausschuss hatte die streitigen Beweisanträge im März mit Mehrheit abgelehnt.

Ausschuss: Beweisanträge drohen Beratungsgeheimnis zu verletzen

Der Ausschuss soll herausfinden, ob hinter dem Erfolg von Amris Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 ein strukturelles Problem steckt oder eine Serie von Fehlern einzelner Behördenvertreter. Bei dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz mit einem Lastwagen waren zwölf Menschen getötet und viele verletzt worden. Amri wurde später auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen. Der Beweisantrag bezieht sich auf Akten, Dokumente und Daten des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt wurden. Die Mehrheit des Ausschusses hatte bei der Ablehnung unter anderem mit dem Beratungsgeheimnis des Kontrollgremiums argumentiert.

Opposition begrüßt Entscheidung

Vertreter von FDP, Linken und Grünen reagierten zufrieden. FDP-Obmann Benjamin Strasser sprach von einer “schallenden Ohrfeige für die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen im Ausschuss“. Die Opposition könne sich nicht jeden Zeugen und jede Akte vor Gericht erstreiten. Mit Blick auf die Regierung drohte Strasser an: “Sollte sie uns weiterhin die Vernehmung des V-Mann-Führers der möglichen Quelle in der Fussilet-Moschee verweigern, sehen wir uns gezwungen, auch hier den Klageweg zu bestreiten.“ Die Frage, in welchem Umfang das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) über einen V-Mann frühzeitig Informationen zu Amris Kontakten im salafistischen Milieu Berlins erhielt, steht seit längerem im Raum.

Presse: Maaßen versuchte Rolle des Verfassungsschutzes geheim zu halten

Am 30.08.2018 waren neue Vorwürfe gegen das BfV bekannt geworden, die das BfV allerdings zurückwies. Die “Berliner Morgenpost“, das ARD-Politmagazin “Kontraste“ und der Sender RBB berichteten, Verfassungsschutzpräsident Maaßen habe offenbar versucht, die Rolle seiner Behörde geheim zu halten. Dies gehe aus einem internen Papier hervor, das Mitarbeiter für Maaßen erstellt hätten. Der Text diente demnach der Vorbereitung eines Gesprächs zwischen Maaßen und Berlins Innensenator Andreas Geisel und dessen Staatssekretär Torsten Akmann (beide SPD) am 24.03.2017 - drei Monate nach dem Anschlag. In dem Dokument heiße es über den Einsatz eines V-Mannes im Umfeld der von Amri häufig besuchten Fussilet-Moschee: “Ein Öffentlichwerden des Quelleneinsatzes gilt es schon aus Quellenschutzgründen zu vermeiden.“ Und: “Ein weiteres Hochkochen der Thematik muss unterbunden werden“. Der Verfassungsschutz wies die in den Medienberichten veröffentlichten “Mutmaßungen zu Gesprächsinhalten“ zurück. Ein Sprecher sagte, das Bundesamt habe alle Unterlagen im Zusammenhang mit dem Anschlag den zuständigen Bundestagsausschüssen vorgelegt.

Redaktion beck-aktuell, 3. September 2018 (dpa).

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