BGH veröffentlicht Facebook-Entscheidung im Volltext

Heute hat der Bundesgerichtshof die Facebook-Entscheidung seines Kartellsenats im Volltext veröffentlicht. Beck-aktuell hatte hierüber nach Verkündung bereits ausführlich berichtet. Jetzt legt der Senat auf 55 Seiten ausführlich dar, warum das Bundeskartellamt entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf das Verbot der Erhebung von Nutzerdaten durchsetzen darf.

BKartA untersagte Verwendung von Nutzerdaten

Im Februar 2019 untersagte das Bundeskartellamt Facebook den Gebrauch von Nutzungsbedingungen, die eine pauschale Zustimmung in die Verwendung personenbezogener Daten aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste oder durch den Aufruf von Drittseiten vorsah. Die dagegen von Facebook eingelegte Beschwerde war zunächst vor dem OLG Düsseldorf erfolgreich. Der Kartellsenat des BGH hatte aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung und ordnete die aufschiebende Wirkung der Beschwerde an.

BGH: Erlaubt Vollzug des Verbots

Der BGH hob die Entscheidung des OLG Düsseldorf auf und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab. "Maßgeblich […] ist nicht die vom Kartellamt in der angefochtenen Verfügung in den Vordergrund gerückte Frage, ob die Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten der Facebook-Nutzer, die aus deren Nutzung des Internets außerhalb von facebook.com und unabhängig von einem Facebook-Login entstehen, mit den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung in Einklang steht", schreiben die Karlsruher Richter in ihrer ausführlichen Begründung. Vielmehr sind aus ihrer Sicht Nutzungsbedingungen missbräuchlich, die den Facebook-Nutzern "keine Wahlmöglichkeit" lassen, "ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff aus Charakteristika auch ihrer Off-Facebook-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist", oder "ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben". Bei funktionierendem Wettbewerb auf dem Markt sozialer Netzwerke wäre zu erwarten gewesen, dass Facebook auf die Nachfrage der Nutzer mit einem entsprechenden Angebot reagieren würde, weniger Daten preiszugeben zu wollen.

BfDI: Wichtiger Etappensieg

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, sieht in der Entscheidung einen "wichtigen Etappensieg für den Datenschutz". "Daten sind im 21. Jahrhundert ein wichtiger Wettbewerbsfaktor", so Kelber. Der BGH bestätige nun, dass die uneingeschränkte Profilbildung aufgrund der Nutzungsbedingungen einen Missbrauch darstellt. Er erwarte, dass Facebook die Entscheidung akzeptiert und die Datenverarbeitung beendet.

VDZ: Richtungsweisendes Signal

Philipp Welte, der Vizepräsident des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), sieht das Urteil als ein richtungsweisendes Signal gegen die "unkontrollierte Datensammelwut" von Facebook. In einem dpa-Statement betont er: "Daten sind Märkte, und wer sie besitzt, beherrscht diese Märkte, auch wenn er sich diese Daten rechtswidrig beschafft hat."

Kartellrechtsexperte: Konsequente Entscheidung aus kartellrechtlicher Sicht

Aus Sicht des Kartellrechtsexperten Tim Schaper von der Kanzlei Norton Rose Fulbright LLP ist der Beschluss "klar und konsequent". Dennoch sei offen, wie es in der Sache weitergehe. Abzuwarten bleibe, wie das OLG Düsseldorf in dem noch ausstehenden Hauptsacheverfahren entscheiden werde, schreibt er in einer Analyse für den Newsdienst Compliance. Dass sich der dortige 1. Kartellsenat durch die Entscheidung des BGH im Eilverfahren leiten lasse, sei mit Blick auf die jüngere Rechtsprechungspraxis des Senats "keineswegs gewiss". Eine weitere mögliche Wendung wäre aus Sicht von Schaper die Vorlage der Sache beim Europäischen Gerichtshof.

BGH, Beschluss vom 23.06.2020 - KVR 69/19

Redaktion beck-aktuell, 27. August 2020 (ergänzt durch Material der dpa).