Vernehmung eines Auslandszeugen

Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Entscheidung über die beantragte Vernehmung eines Auslandszeugen ist es, ob er zentrale Punkte des Schuldvorwurfs entkräften soll. Der Richter darf bei der Abwägung das zu erwartende Ergebnis vorwegnehmen, wie der Bundesgerichtshof betont hat. Habe die Aussage nach Überzeugung des Gerichts keine Bedeutung für das Urteil, könne der Antrag abgelehnt werden.

Plantagenwirtschaft

Das Landgericht Essen muss sich erneut mit einem Drogenprozess beschäftigen: Es hatte einen Mann wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Seine Ehefrau war wegen Beihilfe mit einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung davongekommen. Nach der Überzeugung des Gerichts hatte sie ein Erbbaurecht an einer unbewohnten Doppelhaushälfte erworben, damit ihr Partner dort in Absprache mit ihr eine Cannabisplantage anlegen konnte. Durch zwei Ernten habe der Ehemann insgesamt 279.000 Euro eingenommen. Das Erbbaurecht zogen die Essener Richter als Tatmittel ein. Das Paar legte Revision ein. Nach Darstellung des Manns hatte er das Haus lediglich von 2016 bis 2019 renoviert. Anfang 2019 habe sein Schwager das Haus gemietet und dann wohl an Niederländer untervermietet. Diese müssten die Plantage anlegt haben, so seine Einlassung. Tatsächlich hatte die Polizei DNA-Spuren von drei Personen gefunden, die in einer niederländischen Datenbank erfasst waren. Einer von ihnen war wegen Btm-Delikten vorbestraft. Der Antrag auf Vernehmung dieser Zeugen in Deutschland oder dem Nachbarland wurde vom Gericht abgelehnt. Die darauf gestützte Verfahrensrüge hatte Erfolg.

Zentrale Bedeutung für Schuldvorwurf

Die Karlsruher Richter bestätigten, dass bei der Entscheidung über die Vernehmung von Auslandszeugen ein Spielraum besteht. Es müsse im Hinblick auf die Aufklärungspflicht des Gerichts nach § 244 Abs. 2 StPO eine Abwägung erfolgen, wobei das zu erwartende Beweisergebnis vorweggenommen werden dürfe. Je größer die Bedeutung der Aussage für den Tatvorwurf und je unsicherer die Beweislage sei, desto eher müsse aber dem Antrag nachgegangen werden. Der 4. Strafsenat hatte hier schon Zweifel, ob das LG die Zielrichtung der Verteidigung richtig erfasst hatte. Die Vorstellung, dass diese habe nachweisen wollen, dass die Niederländer Mittäter beim Anbau gewesen seien, sei lebensfremd, da der Angeklagte dann sogar als Teil einer Bande nach § 30a Abs. 1 BtMG gehandelt haben könnte. Vielmehr seien die Drei als Alternativtäter ins Spiel gebracht worden. Würden sie einräumen, die Plantage angelegt zu haben, könne man – entgegen der Strafkammer – den Beweiswert einer solchen Aussage nicht von vorneherein als gering ansetzen.

Keine Bedenken gegen Einzug des Erbbaurechts

Während der BGH das Verfahren insoweit zurückverwies, scheiterte die Revision der Ehefrau. Die Bundesrichter merkten an, dass auch Rechte als Tatmittel eingezogen werden können. Hier habe das Erbbaurecht als dem Eigentum angenähertes Recht die Voraussetzungen für den Hanfanbau geschaffen. 

BGH, Beschluss vom 24.11.2022 - 4 StR 263/22

Redaktion beck-aktuell, 17. Januar 2023.