BGH: Verkehrsschilder aufstellende Mitarbeiter eines privaten Unternehmens handeln als Verwaltungshelfer

GG Art. 34; BGB § 839; StVO § 45 II, V, VI

Die Mitarbeiter eines privaten Unternehmens, die zur Ausführung einer verkehrsbeschränkenden Anordnung der Straßenbaubehörde und des der Anordnung beigefügten Verkehrszeichenplans (§ 45 Abs. 2 und 6 StVO) Verkehrsschilder nicht ordnungsgemäß befestigen, handeln als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihre persönliche Haftung gegenüber einem durch das Verkehrsschild Geschädigten scheidet daher gemäß Art. 34 Satz 1 GG aus. Der Bundesgerichtshof bestätigte mit dieser Entscheidung vom 06.06.2019 seine Rechtsprechung.

BGH, Urteil vom 06.06.2019 - III ZR 124/18 (LG Kaiserslautern), BeckRS 2019, 12522

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 14/2019 vom 18.07.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Kraftfahrzeugs, mit dem sie im Bereich einer Baustelle auf der Autobahn fuhr, als ihr dort ein Geschwindigkeitsbeschränkungsschild (Zeichen 274) entgegenkam, das gegen die Beifahrerseite des Fahrzeugs schlug und dort Schaden verursachte.

Die Beklagte hatte die Verkehrssicherung für dieses Straßenstück übernommen. Sie hatte von der Behörde einen Verkehrszeichenplan erhalten und Verkehrsschilder exakt nach diesem Plan aufgestellt. Das den Unfall verursachende Schild hatte sie nicht ordentlich befestigt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte in Anspruch. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung. Die Beklagte allerdings legte Berufung ein. Das Landgericht änderte das Urteil ab und wies die Klage ab, ließ aber die Revision zu.

Rechtliche Wertung

In dem hier vorgestellten Urteil wurde die klägerische Revision zurückgewiesen. Das Landgericht habe zu Recht der Beklagten die Passivlegitimierung abgesprochen. Die Beklagte sei als Beamtin im staatshaftungsrechtlichen Sinn anzusehen. Dies habe zur Folge, dass die Verantwortlichkeit für eine (hier zu bejahende) Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht allein die Körperschaft treffe, in deren Dienst die Beklagte tätig wurde.

Die Beklagte habe hier auf Anordnung der Straßenbaubehörde gehandelt, ohne einen eigenen Entscheidungs- und Ermessensspielraum zu haben. Sie sei deshalb Verwaltungshelfer in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts.

Der BGH führt weiter aus, dass die Regelung des § 839 BGB eine vorrangige Spezialregelung sei und damit konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB verdränge. Es liege für die Beklagte eine befreiende Haftungsübernahme vor, weil der Staat durch die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die dessen Stelle trete, der in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt habe. Damit aber scheide die persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus.

Die Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen sei eine hoheitliche Aufgabe und dies umfasse auch das Anbringen der Verkehrszeichen. Selbst wenn die Aufgabe der Verkehrssicherung nur einen geringen und formalen hoheitlichen Charakter habe, ändere dies am Grundsatz nichts. Die Beklagte habe nun einmal aufgrund der Anordnung der Verkehrsregelung die Durchsetzung dieser Anordnung übernommen.

Der uneingeschränkten Anwendung der Grundsätze zum Verwaltungshelfer stehe auch nicht entgegen, dass der Bau und die Unterhaltung von Straßen Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge seien. Es müsse auch nicht entschieden werden, ob die Rechtsfigur des Verwaltungshelfers im gesamten Bereich der staatlichen Daseinsfürsorge Anwendung finde. Hier jedenfalls sei das Aufstellen der Verkehrsschilder deutlich der Daseinsvorsorge zuzuordnen, denn es mussten die Verkehrsregelungen als Maßnahmen der Eingriffsverwaltung umgesetzt werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist für die Praxis sehr wichtig. Die feingliedrige Unterscheidung der Tätigkeiten wird vom BGH sehr deutlich und gut verständlich nachgezeichnet. Die hier vorgestellte Entscheidung, in der Rechtsprechung und Literatur in reichem Maße verarbeitet sind, für die Zukunft deutlich zu verinnerlichen empfiehlt sich schon deshalb, weil die Anordnung, die Verkehrszeichen aufzustellen, am 13.11.2013 erfolgte und der Unfall sich am 07.10.2014 ereignete. Jetzt am 06.06.2019 zu lesen, dass nicht der Richtige verklagt wurde, ist durchaus misslich.

Redaktion beck-aktuell, 29. Juli 2019.