BGH: Ver­käu­fer kann nach er­folg­rei­chem An­trag des Käu­fers auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz er­neut Kauf­preis­zah­lung ver­lan­gen

Der An­spruch eines Ver­käu­fers auf Zah­lung des Kauf­prei­ses er­lischt zwar, wenn der vom Käu­fer ent­rich­te­te Kauf­preis ver­ein­ba­rungs­ge­mäß dem Pa­y­Pal-Konto des Ver­käu­fers gut­ge­schrie­ben wird. Je­doch tref­fen die Kauf­ver­trags­par­tei­en mit der ein­ver­ständ­li­chen Ver­wen­dung des Be­zahl­sys­tems Pa­y­Pal gleich­zei­tig still­schwei­gend die wei­te­re Ver­ein­ba­rung, dass die be­tref­fen­de Kauf­preis­for­de­rung wie­der­be­grün­det wird, wenn das Pa­y­Pal-Konto des Ver­käu­fers nach einem er­folg­rei­chen An­trag des Käu­fers auf Käu­fer­schutz rück­be­las­tet wird. Dies hat der Bun­des­ge­richts­hof mit zwei Ur­tei­len vom 22.11.2017 klar­ge­stellt. In bei­den Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ging es ma­ß­geb­lich um die Frage, ob der Ver­käu­fer nach der Rück­bu­chung des Kauf­prei­ses er­neut be­rech­tigt ist, den Käu­fer auf Zah­lung in An­spruch zu neh­men (Az.: VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16).

Streit um Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie

Der On­line-Zah­lungs­dienst Pa­y­Pal bie­tet an, Be­zahl­vor­gän­ge bei In­ter­net­ge­schäf­ten der­ge­stalt ab­zu­wi­ckeln, dass pri­va­te und ge­werb­lich tä­ti­ge Per­so­nen Zah­lun­gen über vir­tu­el­le Kon­ten mit­tels E-Geld leis­ten kön­nen. Dabei stellt Pa­y­Pal sei­nen Kun­den unter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ein in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (na­ment­lich der so­ge­nann­ten Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie) ge­re­gel­tes Ver­fah­ren für Fälle zur Ver­fü­gung, in denen der Käu­fer den be­stell­ten Kauf­ge­gen­stand nicht er­hal­ten hat oder die­ser er­heb­lich von der Ar­ti­kel­be­schrei­bung ab­weicht. Hat ein An­trag des Käu­fers auf Rück­erstat­tung des Kauf­prei­ses nach Ma­ß­ga­be der Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie Er­folg, bucht Pa­y­Pal dem Käu­fer den ge­zahl­ten Kauf­preis unter Be­las­tung des Pa­y­Pal-Kon­tos des Ver­käu­fers zu­rück.

Ver­fah­ren VIII ZR 83/16: Handy laut Käu­fer nie bei ihm an­ge­kom­men

Im Ver­fah­ren VIII ZR 83/16 kauf­te die Be­klag­te zu 1, eine Ge­sell­schaft bür­ger­li­chen Rechts, vom Klä­ger auf der In­ter­net-Platt­form eBay ein Mo­bil­te­le­fon zu einem Preis von rund 600 Euro, den sie über den On­line-Zah­lungs­dienst Pa­y­Pal ent­rich­te­te. Nach­dem der Kauf­preis auf dem Pa­y­Pal-Konto des Klä­gers ein­ge­gan­gen war, ver­sand­te die­ser das Mo­bil­te­le­fon in einem (ver­ein­ba­rungs­ge­mäß un­ver­si­cher­ten) Päck­chen an die Be­klag­te zu 1. Diese teil­te dem Klä­ger an­schlie­ßend mit, das Mo­bil­te­le­fon nicht er­hal­ten zu haben. Ein Nach­for­schungs­auf­trag des Klä­gers beim Ver­sand­dienst­leis­ter blieb er­folg­los. Dar­auf­hin be­an­trag­te die Be­klag­te zu 1 Rück­erstat­tung des Kauf­prei­ses nach Ma­ß­ga­be der Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie. Nach­dem der Klä­ger auf Auf­for­de­rung von Pa­y­Pal kei­nen Nach­weis über den Ver­sand des Mo­bil­te­le­fons vor­ge­legt hatte, buch­te Pa­y­Pal den Kauf­preis vom Pa­y­Pal-Konto des Klä­gers auf das Pa­y­Pal-Konto der Be­klag­ten zu 1 zu­rück. Die auf Zah­lung des Kauf­prei­ses ge­rich­te­te Klage des Klä­gers hat in zwei­ter In­stanz Er­folg ge­habt. Mit ihrer vom Land­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on will die Be­klag­te zu 1 die Ab­wei­sung der Kauf­preis­kla­ge er­rei­chen.

Ver­fah­ren VIII ZR 213/16: Streit um Qua­li­tät einer ge­lie­fer­ten Säge

Im Ver­fah­ren VIII ZR 213/16 er­warb der Be­klag­te von der Klä­ge­rin über deren On­line-Shop eine Me­tall­band­sä­ge und be­zahl­te den Kauf­preis von knapp 500 Euro eben­falls über den On­line-Zah­lungs­dienst Pa­y­Pal. Der Be­klag­te be­an­trag­te Käu­fer­schutz mit der Be­grün­dung, die von der Klä­ge­rin ge­lie­fer­te Säge ent­spre­che nicht den von ihr im In­ter­net ge­zeig­ten Fotos. Nach ent­spre­chen­der Auf­for­de­rung von Pa­y­Pal legte der Be­klag­te ein von ihm in Auf­trag ge­ge­be­nes Pri­vat­gut­ach­ten vor, wo­nach die Säge – was die Klä­ge­rin be­strei­tet – von "sehr man­gel­haf­ter Qua­li­tät" und "of­fen­sicht­lich ein bil­li­ger Im­port aus Fern­ost" sei. Dar­auf­hin for­der­te Pa­y­Pal den Be­klag­ten auf, die Me­tall­band­sä­ge zu ver­nich­ten, und buch­te ihm hier­nach den Kauf­preis unter Be­las­tung des Ver­käu­fer­kon­tos zu­rück. In die­sem Fall ist die auf Kauf­preis­zah­lung ge­rich­te­te Klage in bei­den In­stan­zen er­folg­los ge­blie­ben. Mit ihrer vom LG zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Klä­ge­rin ihr Zah­lungs­be­geh­ren wei­ter.

An­spruch auf Kauf­preis­zah­lung er­löscht zu­nächst nach Pa­y­pal-Gut­schrift

Nach den jetzt er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen des BGH kann der Ver­käu­fer nach er­folg­rei­chem An­trag des Käu­fers auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz er­neut Kauf­preis­zah­lung ver­lan­gen. Die Ver­ein­ba­rung, zur Til­gung einer Kauf­preis­schuld den On­line-Zah­lungs­dienst Pa­y­Pal zu ver­wen­den, werde von den Ver­trags­par­tei­en in der Regel als Ne­ben­ab­re­de mit Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­trof­fen. In die­sem Fall sei die vom Käu­fer ge­schul­de­te Leis­tung be­wirkt und der Kauf­preis­an­spruch des Ver­käu­fers er­lö­sche, wenn der be­tref­fen­de Be­trag des­sen Pa­y­Pal-Konto vor­be­halt­los gut­ge­schrie­ben wird. Denn ab die­sem Zeit­punkt könne der Ver­käu­fer frei über das Gut­ha­ben ver­fü­gen, indem er es etwa auf sein bei Pa­y­Pal hin­ter­leg­tes Bank­kon­to ab­bu­chen lässt oder sei­ner­seits für Zah­lun­gen mit­tels Pa­y­Pal ver­wen­det.

Kauf­preis­for­de­rung wird bei er­folg­rei­chem Käu­fer­schutz­an­trag wie­der­be­grün­det

Den­noch stehe dem Ver­käu­fer nach einem er­folg­rei­chen An­trag des Käu­fers auf Käu­fer­schutz (er­neut) ein An­spruch auf Zah­lung des Kauf­prei­ses zu. Denn mit der Ne­ben­ab­re­de, den Zah­lungs­dienst Pa­y­Pal zu ver­wen­den, ver­ein­bar­ten die Ver­trags­par­tei­en gleich­zei­tig still­schwei­gend, dass die (mit­tels Pa­y­Pal) ge­tilg­te Kauf­preis­for­de­rung wie­der­be­grün­det wird, wenn – wie in den vor­lie­gen­den Fäl­len ge­sche­hen – das Pa­y­Pal-Konto des Ver­käu­fers nach Ma­ß­ga­be der Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie rück­be­las­tet wird.

Ver­käu­fer muss Mög­lich­keit haben, Ge­rich­te an­zu­ru­fen

Dies er­ge­be sich aus einer nach bei­den Sei­ten hin in­ter­es­sen­ge­rech­ten Ver­trags­aus­le­gung unter Be­rück­sich­ti­gung der zwi­schen Pa­y­Pal und den Nut­zern des Zah­lungs­diens­tes je­weils ver­ein­bar­ten All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, ins­be­son­de­re der so­ge­nann­ten Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie. Diese hebe unter an­de­rem aus­drück­lich her­vor, dass Pa­y­Pal "le­dig­lich" über An­trä­ge auf Käu­fer­schutz ent­schei­det. In der im Ver­fah­ren VIII ZR 83/16 ver­wen­de­ten (neue­ren) Fas­sung der Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz­richt­li­nie heiße es zudem, diese be­rüh­re "die ge­setz­li­chen und ver­trag­li­chen Rech­te zwi­schen Käu­fer und Ver­käu­fer nicht" und sei "se­pa­rat von die­sen zu be­trach­ten". Na­ment­lich mit Rück­sicht auf diese Be­stim­mun­gen be­stehe kein Zwei­fel, dass es dem Käu­fer un­be­nom­men sein solle, an­stel­le eines An­trags auf Käu­fer­schutz oder auch nach einem er­folg­lo­sen An­trag die staat­li­chen Ge­rich­te in An­spruch zu neh­men, um etwa im Fall einer vom Ver­käu­fer gar nicht oder nicht wie ge­schul­det er­brach­ten Leis­tung Rück­ge­währ des vor­ge­leis­te­ten Kauf­prei­ses zu ver­lan­gen. Vor die­sem Hin­ter­grund sei es al­lein in­ter­es­sen­ge­recht, dass um­ge­kehrt auch der Ver­käu­fer nach einem er­folg­rei­chen An­trag des Käu­fers auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz er­neut – im Wege der Wie­der­be­grün­dung sei­nes An­spruchs auf Zah­lung des Kauf­prei­ses – be­rech­tigt sein müsse, auf die Kauf­preis­for­de­rung zu­rück­zu­grei­fen und zu ihrer Durch­set­zung ge­ge­be­nen­falls die staat­li­chen Ge­rich­te an­zu­ru­fen.

BGH ver­weist auf ver­ein­fach­ten Prü­fungs­maß­stab des Diens­tes

Die An­nah­me einer still­schwei­gend ver­ein­bar­ten Wie­der­be­grün­dung der Kauf­preis­for­de­rung sei auch des­halb ge­bo­ten, weil Pa­y­Pal nur einen ver­ein­fach­ten Prü­fungs­maß­stab an­legt, der eine sach­ge­rech­te Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­par­tei­en – an­ders als das ge­setz­li­che Män­gel­ge­währ­leis­tungs­recht – nicht si­cher­zu­stel­len ver­mag. Gleich­wohl sei ein er­folg­rei­cher An­trag auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz für den Käu­fer von Vor­teil, weil er da­nach den (vor­ge­leis­te­ten) Kauf­preis zu­rück­er­hält, ohne den Ver­käu­fer auf Rück­zah­lung – ge­ge­be­nen­falls im Kla­ge­weg – in An­spruch neh­men zu müs­sen.

Ver­fah­ren VIII ZR 83/16 zu­guns­ten des Ver­käu­fers ent­schie­den

Aus­ge­hend von die­sen Grund­sät­zen hat der BGH die Re­vi­si­on der Be­klag­ten im Ver­fah­ren VIII ZR 83/16 zu­rück­ge­wie­sen, da das Be­ru­fungs­ge­richt hier im Er­geb­nis zu Recht davon aus­ge­gan­gen sei, dass dem Klä­ger nach Rück­be­las­tung sei­nes Pa­y­Pal-Kon­tos in Folge des An­trags auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz er­neut ein An­spruch auf Zah­lung des Kauf­prei­ses zu­ste­he. Dies än­de­re sich auch nicht da­durch, dass die Be­klag­ten das Mo­bil­te­le­fon nach ihrer Be­haup­tung nicht er­hal­ten haben. Denn mit der un­strei­tig er­folg­ten Ver­sen­dung des­sel­ben sei die Ge­fahr des zu­fäl­li­gen Ver­lus­tes auf dem Ver­sand­weg – an­ders, als es bei einem hier nicht vor­lie­gen­den Kauf einer be­weg­li­chen Sache durch einen Ver­brau­cher von einem Un­ter­neh­mer (Ver­brauchs­gü­ter­kauf) der Fall wäre – auf die Be­klag­te zu 1 über­ge­gan­gen.

LG muss in Ver­fah­ren VIII ZR 213/16 er­neut ent­schei­den

Im Ver­fah­ren VIII ZR 213/16 hatte die Re­vi­si­on dem­ge­gen­über Er­folg, weil das Be­ru­fungs­ge­richt trotz der Rück­bu­chung auf­grund des An­trags auf Pa­y­Pal-Käu­fer­schutz den An­spruch des Ver­käu­fers auf Kauf­preis­zah­lung ver­neint hatte. Der BGH hat die Sache zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zu­rück­ver­wie­sen, damit es Fest­stel­lun­gen zu der Frage tref­fen kann, ob und in­wie­weit sich der Be­klag­te ge­gen­über dem wie­der­be­grün­de­ten Kauf­preis­an­spruch der Klä­ge­rin auf ge­setz­li­che Män­gel­ge­währ­leis­tungs­rech­te be­ru­fen kann.

BGH, Urteil vom 22.11.2017 - VIII ZR 83/16

Redaktion beck-aktuell, 22. November 2017.

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