Liquidation einer "Schneeballgesellschaft"
Ein Mann war Inhaber von Genussrechten einer Aktiengesellschaft, die mit Finanzprodukten handelte. Das Geschäftsmodell basierte auf dem sogenannten Schneeballsystem, in dem fällige Ausschüttungen jeweils aus den Geldern von Neuanlegern getätigt werden. In den Jahren 2011–2013 zog er insgesamt rund 7.500 Euro Gewinn hieraus. Die AG fiel 2014 in die Insolvenz, und 2018 wurden deren Akteure wegen Bandenbetrugs verurteilt. Erst nach 2016 focht der Insolvenzverwalter die Ausschüttungen an den Genussrechteinhaber an und verlangte das Geld zurück. Sowohl das Landgericht Erfurt als auch das Thüringer Oberlandesgericht wiesen die Klage ab – vor dem Bundesgerichtshof erzielte der Insolvenzverwalter gegen den Drittschuldner nun einen Teilerfolg.
Rückgewähranspruch hängt von Ertragslage ab
Sowohl der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr der Ausschüttungen aus § 143 Abs. 1, § 134 Abs. 1 InsO (Schenkungsanfechtung) als auch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (Bereicherungsrecht) könne bejaht werden, so der BGH, wenn die Gesellschaft – entgegen deren fehlerhaften Jahresabschlüssen – gar keinen Gewinn gemacht hätte. In diesem Fall hätte kein Anspruch aus dem Genussrechtevertrag auf Ausschüttung bestanden. Dabei kommt es laut BGH nicht darauf an, ob die Jahresabschlüsse falsch sind oder ob sie nach dem Aktiengesetz nichtig sind: Das Gericht müsse die tatsächliche Ertragslage ermitteln; der vertragliche Anspruch würde nur dann vollständig entfallen, wenn die Gesellschaft keinen Gewinn oder gar Verluste erwirtschaftet habe. Die Bundesrichter hoben das Urteil deshalb auf und verwiesen es zurück.
Verjährung war schon eingetreten
Mit dem Oberlandesgericht geht der IX. Zivilsenat allerdings davon aus, dass der Anspruch aus Bereicherungsrecht bereits zum Zeitpunkt der Anfechtung verjährt war. Spätestens 2013 war der AG bekannt, dass sie Gelder ausschüttete, die lediglich auf Bilanzfälschung beruhten. Der Beginn der Verjährungsfrist sei deshalb im Jahr 2013 anzusetzen. Der Insolvenzverwalter muss sich laut den Karlsruher Richtern deren bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen zurechnen lassen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sonst zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Neubeginn der Verjährung führen würde.