BGH ver­han­delt über Recht auf Ver­ges­sen im In­ter­net

Der Bun­des­ge­richts­hof muss zwei Kla­gen zur Lösch­pflicht von Goog­le und damit zum Recht auf Ver­ges­sen ent­schei­den. Im Mit­tel­punkt stand bei der Ver­hand­lung am 16.06.2020 Ar­ti­kel 17 der EU-weit gel­ten­den Da­ten­schutz-Grund­ver­ord­nung: Dem­nach haben Be­trof­fe­ne grund­sätz­lich einen An­spruch dar­auf, dass ihre Daten ge­löscht wer­den - al­ler­dings nicht immer. Der Vor­sit­zen­de Rich­ter Ste­phan Sei­ters stell­te klar: "Das Recht auf Schutz per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten ist kein un­ein­ge­schränk­tes Recht".

Zwei Kla­gen gegen Goog­le

Die bei­den vor dem BGH dis­ku­tier­ten Fälle un­ter­schei­den sich deut­lich: In einem will der Ex-Re­gio­nal­chef eines gro­ßen Wohl­fahrts­ver­ban­des er­rei­chen, dass bei der Suche nach sei­nem Namen keine äl­te­ren ne­ga­ti­ven Be­rich­te über ihn mehr ver­linkt wer­den. Die da­ma­li­ge Be­richt­erstat­tung sei wegen des öf­fent­li­chen In­ter­es­ses be­rech­tigt ge­we­sen, sagte Sei­ters. Eine Rolle könne aber die Zeit spie­len. Die Vor­fäl­le - die fi­nan­zi­el­le Schief­la­ge des Ver­ban­des und die Er­kran­kung des dort in füh­ren­der Po­si­ti­on ar­bei­ten­den - und die Be­richt­erstat­tung dazu rei­chen bis ins Jahr 2011 zu­rück. (Az.: VI ZR 405/18). In den Vor­in­stan­zen war der Mann ge­schei­tert. Das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt hatte das Recht der Öf­fent­lich­keit auf In­for­ma­ti­on höher be­wer­tet als das Recht des Man­nes, über die Ver­wen­dung sei­ner Daten zu be­stim­men. Es müsse immer auch den Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les Rech­nung ge­tra­gen wer­den.

Schlag­ab­tausch der An­wäl­te

Der zwei­te Fall löste am Diens­tag einen län­ge­ren Schlag­ab­tausch der An­wäl­te aus: Hier kla­gen ein Mann und seine Le­bens­ge­fähr­tin gegen die Ver­lin­kung auf kri­ti­sche Ar­ti­kel über sie sowie auf Fotos von ihnen, so­bald ihr Name oder der der Ge­sell­schaf­ten, für die sie ar­bei­ten, bei Goog­le ge­sucht wer­den (Az.: VI ZR 476/18). Das Paar be­ruft sich dar­auf, dass die ver­link­ten Ar­ti­kel un­wahr seien. Goog­le wie­der­um er­klärt, dies nicht über­prü­fen zu kön­nen und auch nicht zu müs­sen. Auch hier schei­ter­ten die Klä­ger in den Vor­in­stan­zen. Dem OLG Köln zu­fol­ge müs­sen die Klä­ger be­wei­sen, dass die Ar­ti­kel un­wahr sind - und Goog­le müss­te erst dann lö­schen.

An­wäl­te regen Vor­la­ge an EuGH an

Es han­de­le sich um zwei äu­ßerst wich­ti­ge Kla­gen, sagte Chris­ti­an Sol­me­cke, Ex­per­te für In­ter­net­recht. "Tat­säch­lich sind Lö­schungs­fra­gen nach der neuen EU-DS-GVO bis­lang nicht höchst­rich­ter­lich ge­klärt und das Recht auf Ver­ges­sen­wer­den ein hohes Gut." Eine Vor­ab­be­fas­sung durch den EuGH würde daher durch­aus Sinn er­ge­ben. Auch die An­wäl­te der Klä­ger reg­ten je­weils an, die Fra­gen dem Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hof vor­zu­le­gen. Eine Ent­schei­dung des BGH wird erst in den nächs­ten Wo­chen er­ge­hen. Goog­le woll­te sich davor nicht äu­ßern.

EuGH und BVerfG waren schon mit dem Thema be­fasst

Das Recht auf Ver­ges­sen­wer­den ist in der seit Mitte 2018 EU-weit gel­ten­den DS-GVO ver­an­kert. Vier Jahre zuvor hatte ein weg­wei­sen­des Ur­teil des EuGH die­ses Recht in den Fokus ge­rückt: In der als Goog­le Spain be­zeich­ne­ten Ent­schei­dung bekam ein Spa­ni­er gegen Goog­le recht. Damit muss­te der Such­ma­schi­nen­be­trei­ber Tref­fer lö­schen, die auf eine lange zu­rück­lie­gen­de Pfän­dung ver­wie­sen. Auch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hatte be­reits mehr­fach zum Recht auf Ver­ges­sen ge­spro­chen.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juni 2020 (dpa).

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