Vergütungsansprüche auch nach Ausscheiden aus der Anwaltschaft
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Ein ehemaliger Rechtsanwalt ist berechtigt und verpflichtet, offene Vergütungen bei seinen Auftraggebern einzufordern, wenn der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist. Laut Bundesgerichtshof bleibt der Beauftragte aus dem Anwaltsdienstvertrag nachwirkend zivilrechtlich verpflichtet, obwohl seine Zulassung erloschen ist. Dies gelte gerade auch für die richtige Einforderung noch offener Vergütungen und die dazu gehörige Mitteilung der Berechnung.

Ausstehende Vergütung von insgesamt 19 Rechnungen

Ein ehemaliger Anwalt verlangte von einem Mandanten die noch ausstehende Vergütung in Höhe von rund 95.500 Euro für seine frühere Anwaltstätigkeit. Die beklagte L. GbR hatte ihn 2013 mit Rechtsanwaltsleistungen beauftragt. Der Jurist war seit Juni 2015 nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen. Ende 2015 erstellte er zwei Rechnungen, Ende 2016 weitere 17. Seine Forderungen aus 2015 hatten noch den maschinenschriftlichen Zusatz "Rechtsanwalt". Auf die Mahnbescheide des Anwalts reagierte weder Ende 2015 die GbR noch ein Jahr später der gesamtschuldnerisch in Anspruch genommene Beklagte selbst. Das AG erließ die Mahnbescheide und stellte sie der Firma zu.

OLG geht von unwirksamer Abrechnung aus

Das Anliegen scheiterte sowohl beim LG Kassel (wegen Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB) als auch beim OLG Frankfurt am Main. Dem Kläger stehe der Honoraranspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil er seiner Mandantschaft keine ordnungsgemäße Abrechnung der Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG vorgelegt habe und damit die Vergütungsansprüche schon nicht einforderbar seien. Die mit der Unterzeichnung der Gebührenrechnungen bezweckte Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung erfordere es aber, dass der Unterzeichner zugelassen Anwalt sei. Da dies nicht mehr der Fall war, sei er auch nicht mehr in der Lage gewesen, die Berechnungen wirksam zu unterzeichnen. Die Revision des Anwalts beim BGH war erfolgreich.

Weiterhin strafrechtliche und zivilrechtliche Verantwortlichkeit

Der IX. Zivilsenat verwies die Sache ans OLG zurück. Die Erwägungen der Vorinstanz zur Funktion der Unterzeichnung griffen zu kurz. Zwar scheide die standesrechtliche Verantwortung aus, wenn der Gläubiger nicht mehr Rechtsanwalt sei. Dessen strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibe aber bestehen. Sie ende nicht damit, dass er nicht mehr nach dem leichteren Amtsdelikt des § 352 StGB zu bestrafen sei, sondern allgemeine Straftatbestände, insbesondere derjenige des Betruges gemäß § 263 StGB, eingreifen könnten. Zivilrechtlich bleibe der Beauftragte aus dem Anwaltsdienstvertrag nachwirkend verpflichtet, obwohl seine Zulassung erloschen sei. Dies gelte gerade auch für die richtige und billige Einforderung noch offener Vergütungen und die dazu gehörige Mitteilung der Berechnung. Die Ansprüche seien auch nach dem Vortrag des ehemaligen Anwalts nicht verjährt. Das OLG müsse hierzu eigene Feststellungen treffen und – soweit keine Verjährung eingetreten sein sollte – nunmehr die Gebührenforderungen prüfen.

BGH, Urteil vom 16.02.2023 - IX ZR 189/21

Redaktion beck-aktuell, 6. April 2023.