Vergabesperre bei nur schwachem Interessenkonflikt unwirksam

Schließt ein öffentlicher Auftraggeber ein Unternehmen ohne hinreichenden sachlichen Grund generell von der Auftragsvergabe aus, steht diesem ein Unterlassungsanspruch zu. Ein Interessenkonflikt kann eine Vergabesperre nur dann rechtfertigen, wenn dieser durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 03.06.2020 entschieden.

Interne Weisung ohne Außenwirkung

Ein Umwelt-Verein wehrte sich gegen die ihm gegenüber verhängte Vergabesperre durch das Land Berlin. Er verlangte, bei künftigen Auftragsvergaben weiter wie jeder andere Bieter berücksichtigt zu werden. Zuvor hatte der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz per E-Mail im Januar 2017 angeordnet, zur Vermeidung eines Interessenkonflikts keine Aufträge mehr an den Verein zu vergeben. Die Umweltsenatorin war mit einem Mitarbeiter des Anbieters verheiratet. Ihr Ehemann hatte keine Leitungsfunktion, und für den Senat seit 2008 keine Beratungen mehr durchgeführt. Vor dem LG Berlin war die Klage der Vereinigung erfolgreich. Anders beim Kammergericht: Bei der E-Mail des Staatsekretärs habe es sich um eine interne Weisung ohne Außenwirkung gehandelt. Diese könne nicht Gegenstand eines Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB sein.

BGH: Interessenkonflikt nur schwach ausgeprägt

Die Revision zum BGH hatte Erfolg. Aus Sicht der Karlsruher Richter greift die Vergabesperre des Landes Berlin unmittelbar in das Recht des Vereins am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Die in der E-Mail enthaltene Weisung sei aufzuheben. Sie stelle zwar nur einen innerbehördlichen Vorgang dar. Ihre Umsetzung verhindere aber jede Geschäftstätigkeit des Vereins mit der Senatsverwaltung und greife dadurch unmittelbar in diese ein. Da die Anwendung der Sperre 2018 bereits zum Ausschluss von sieben Projekten geführt habe, bestehe Wiederholungsgefahr. Es sei zu befürchten, dass er aufgrund der Weisung auch künftig an keinem Vergabeverfahren beteiligt werde. Die von Berlin angeführten Gründe rechtfertigten keinen generellen Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge für die Dauer der Amtszeit der Senatorin. Der Interessenkonflikt war von vornherein nur schwach ausgeprägt, so der BGH. Der Ehemann der Senatorin habe als Forschungskoordinator weder Direktionsrechte noch Personalverantwortung gehabt. Seine wissenschaftliche Arbeit habe außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Verwaltung gelegen. Für einen längerfristigen Ausschluss von der Vergabe bestehe wegen der zulässigen Höchstfrist von drei Jahren nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 GWB kein Raum. Als Lösung schlug der XIII. Zivilsenat einen Rückzug der Senatorin von Verfahren vor, bei denen der Arbeitgeber ihres Ehemanns ein Gebot abgeben wolle.

Redaktion beck-aktuell, 6. August 2020.