Unzulässige Verbindung von Strafverfahren durch Vereinbarung

Ein Strafverfahren, das bei einem Amtsgericht rechtshängig ist, kann nicht einfach per Vereinbarung zwischen den beteiligten Gerichten von einem Landgericht in einem anderen Gerichtsbezirk übernommen werden. Der Bundesgerichtshof hob ein Urteil, das auf einer solchen Übernahme beruhte, auf, und gab das Verfahren an das ursprüngliche Amtsgericht zurück. Die Rechtshängigkeit beim Amtsgericht sei nie weggefallen.

56 Fälle in einem Aufwasch erledigt

Ein Mann wurde unter anderem wegen Diebstahls in 17 Fällen, Betrugs in 29 Fällen und Computerbetrugs in 7 Fällen während eines Jahres zum Teil beim Amtsgericht Fulda und zum Teil beim Landgericht Kassel angeklagt. Das Landgericht zog mit Zustimmung der beteiligten Staatsanwaltschaften Fulda und Kassel und des Amtsgerichts die bereits zugelassenen Verfahren aus Fulda an sich und verband sie mit den eigenen Verfahren. In der Hauptverhandlung bestand die Beweisaufnahme im Wesentlichen aus der geständigen Einlassung des Mannes, er wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Dagegen erhob er die Revision zum Bundesgerichtshof – mit vollem Erfolg.

Verfahrensverbindung nicht zulässig

Die Verfahren aus Fulda werden an das dortige Amtsgericht zurückgegeben, so der 2. Strafsenat. Die Übernahme nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO durch eine Vereinbarung komme nur dann in Betracht, wenn es sich um Gerichte gleicher Ordnung handelt – wenn also alle Taten beim Amtsgericht angeklagt gewesen wären. Eine Verbindung, die neben der örtlichen auch die sachliche Zuständigkeit verändert, kann dem BGH zufolge nur über § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO herbeigeführt werden. Darüber hätte das OLG Frankfurt am Main entscheiden müssen. Die Fuldaer Verfahren sind laut den Karlsruher Richtern nicht in Kassel rechtshängig geworden, sondern nach wie vor beim Amtsgericht Fulda anhängig. Das Urteil sei insoweit samt der Feststellungen aufzuheben und die Sache zurückzugeben.

Beweisaufnahme darf nicht nur aus Geständnis bestehen

In den ihnen gehörenden Fällen stützten die Kasseler Richter ihr Urteil wiederum nahezu allein auf das mehr oder weniger pauschale Geständnis des Angeklagten, monierten die Karlsruher Richter. Schon die Feststellungen hätten in der wörtlichen Wiedergabe des konkreten Anklagesatzes bestanden. Angesichts der Vielzahl und Gleichartigkeit der Fälle sei doch zweifelhaft, ob sich der Angeklagte an die Daten und genauen Gegebenheiten in jedem Einzelfall hätte erinnern können. Daher hätte das Beweismaterial unbedingt ausgeschöpft werden müssen, um sich eine fundierte Überzeugung bilden zu können. Das Gericht habe den wahren Sachverhalt zu erforschen, diese Pflicht dürfe nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Deshalb muss nun eine andere Kammer des Landgerichts Kassel die Sachen noch einmal verhandeln.

BGH, Beschluss vom 06.07.2022 - 2 StR 53/22

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2022.