Unzulässige "Schiebetermine" im Strafverfahren

Ergibt sich aus dem Gesamtbild einer Hauptverhandlung eindeutig, dass Fortsetzungstermine lediglich die Höchstfristen der StPO für Unterbrechungen wahren sollten, ist dies verfahrensfehlerhaft. Der Bundesgerichtshof betonte, dass dies auch dann gilt, wenn in den Sitzungen selbst zur Sache verhandelt wird, aber die Verfahrensförderung dabei bedeutungslos ist. Ein Landgericht hatte drei Jahre lang Kurztermin an Kurztermin gereiht.

Aufarbeitung der Buchhaltung

Ein Arbeitgeber wehrte sich gegen seine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt vom 25.03.2021 durch das LG Ansbach. Die ursprüngliche Anklageschrift stammte vom 05.12.2016. Danach ging es zunächst zügig weiter – bis zum 31.05.2017 waren die von der Staatsanwaltschaft benannten 16 Zeugen vernommen worden. Am 9. Verhandlungstag, dem 20.07.2017, beantragte die Verteidigung die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dies sollte beweisen, dass der Mann die angeblichen Schwarzlohnzahlungen nicht hätte erwirtschaften können. Im Lauf der nächsten drei Jahre ließ das Gericht daraufhin außerhalb der Hauptverhandlung die Buchhaltung des Betroffenen nach dessen Angaben aufarbeiten. Ferner wurden von der Deutschen Rentenversicherung Bund im Auftrag des LG nach und nach drei weitere Schadensberechnungen als Alternative zum Modell aus der Anklageschrift erstellt. Schließlich lehnte es am 08.09.2020, dem 62. Sitzungsantrag, den Beweisantrag ab und verhängte ein gutes halbes Jahr später eine Bewährungsstrafe. Die dazwischen liegenden Fortsetzungstermine füllte das Landgericht zu einem guten Teil mit Sachstandsberichten zu den laufenden Ermittlungen. Die Verfahrensrüge des Angeklagten führte beim BGH zur Aufhebung des Urteils.

Wie ein einziger Sitzungstag

Der 6. Strafsenat sah im Vorgehen des LG Ansbach einen Verstoß gegen § 229 StPO, wonach die Hauptverhandlung nur für bestimmte Zeiten unterbrochen werden darf. Diese Höchstfristen dürften nicht durch pro forma Fortsetzungstermine ausgehebelt werden, die keine Verfahrensförderung zum Ziel hätten. Die Leipziger Richter rechneten ihren Kollegen vom Landgericht vor, dass sie 2018 an 19 Sitzungstagen lediglich siebeneinhalb Stunden verhandelt hätten. 2019 und 2020 seien über das Jahr verteilt lediglich fünfeinhalb und sechseinhalb Stunden zusammengekommen. Zeitlich gesehen sei damit in diesen Jahren kaum mehr als die übliche Verhandlungsdauer eines Sitzungstages erreicht worden. Entsprechend machte der BGH sechs Termine aus, an denen zwar zur Sache verhandelt worden war, aber das Gericht nach seiner Überzeugung lediglich die Höchstfrist habe wahren wollen.

BGH, Beschluss vom 13.12.2022 - 6 StR 95/22

Redaktion beck-aktuell, 9. Januar 2023.