Unverschuldete Säumnis bei Verlegungsantrag wegen Terminkollision

Ein kurz vor dem Termin vollzogener Anwaltswechsel kann nur dann einen erheblichen Grund für eine Terminverlegung darstellen, wenn die Partei ihn nicht selbst verschuldet hat. Laut Bundesgerichtshof muss die Partei dabei auch zeitnah einen neuen Anwalt suchen. Einen Grund für eine Aufhebung des Termins könne es aber darstellen, wenn der neue Vertreter schon an zeitlich kollidierenden Verhandlungen teilnehmen müsse. Der Zeitpunkt der Antragstellung habe dabei keinen Einfluss.

Mandatsübernahme drei Tage vor dem Gerichtstermin

Ein Mieter nahm den Vermieter auf Zahlung aus Abrechnungen über Heiz- und Hausnebenkosten in Anspruch. Das LG Zwickau hatte den Beklagten im Juni 2016 per Versäumnisurteil verurteilt, dem Kläger insgesamt 7.170 Euro zu zahlen. Auf seinen Einspruch hin beraumte das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung an. Diese war zunächst für den 07.12.2016 festgesetzt worden und wurde in den darauffolgenden viereinhalb Jahren mehrfach verlegt, zuletzt vom 26.08.2020 auf den 22.03.2021, 14.00 Uhr. Der Vermieter hatte mehrfach den Anwalt gewechselt. Zuletzt kündigte der Mandant wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses am 28.02.2021 seinem Vertreter. Am 19.03.2021 beauftragte er seinen jetzigen Bevollmächtigten. Daraufhin stellte dieser einen Antrag auf Terminverlegung, da er sich noch in die Akten einarbeiten müsse, zudem sei er verhindert. Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das LG Zwickau übermittelte ihm den Beschluss am 22.03.2021, dem Verhandlungstag, um 11.31 Uhr. Um 12.32 Uhr beantragte der Anwalt erneut die Aufhebung des Termins und lehnte den Richter um 13.46 Uhr wegen Befangenheit ab. Bei Aufruf zum Termin um 14.00 Uhr erschien für den Beklagten niemand, es erging ein zweites Versäumnisurteil. Das OLG Dresden verwarf die eingelegte Berufung als unzulässig. Weshalb ein Fall der unverschuldeten Säumnis vorgelegen haben solle, habe der Vermieter nicht schlüssig vorgetragen (§ 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO), so die Begründung. Die Rechtsbeschwerde beim BGH hatte mehr Erfolg und führte zur Zurückverweisung an einen anderen Senat des OLG.

Termin hätte wohl verlegt werden müssen

Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletze den Beklagten in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), so die BGH-Richter. Es spreche hier viel dafür, dass ein Fall unverschuldeter Säumnis vorgelegen habe und dem Terminverlegungsantrag hätte stattgegeben werden müssen (§ 227 ZPO), monierte der VII. Zivilsenat. Der Beklagte habe den Anforderungen an eine schlüssige Darlegung der Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO dadurch genügt, dass er seine Säumnis mit zwei kollidierenden Terminen seines Anwalts entschuldigt habe, die jeder für sich als erheblicher Grund eine Terminverlegung im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO hätten rechtfertigen können. Mit diesem Vorbringen habe sich das OLG gehörswidrig nicht auseinandergesetzt. Im Falle eines schon anberaumten Verhandlungstermins sei die Partei nicht gehalten, die Auswahl ihres Bevollmächtigten danach vorzunehmen, ob dieser in der Lage sei, genau diesen Termin wahrzunehmen, soweit sichergestellt sei, dass er eine zeitnahe Vertretung gewährleisten könne. Ebenfalls ohne Einfluss auf die Ermessensentscheidung nach § 227 Abs. 1 ZPO sei der Zeitpunkt, zu dem der Terminverlegungsantrag gestellt werde.

BGH, Beschluss vom 23.06.2022 - VII ZB 58/21

Redaktion beck-aktuell, 23. August 2022.