Untersuchungshaftfortdauer und Legalprognose für einen IS-Terroristen

Auch wenn man höchstens noch elf von 70 Monaten Jugendstrafe für Schwerkriminalität absitzen muss, kann es verhältnismäßig sein, den Untersuchungshaftbefehl aufrechtzuerhalten. Der Bundesgerichtshof hält es bei einer negativen Legalprognose, die kaum Anhaltspunkte für eine vorzeitige Entlassung enthält, für angemessen, die Untersuchungshaft weiter zu vollstrecken, solange das Revisionsverfahren andauert.

IS-Terrorist sitzt fast fünf Jahre lang in Untersuchungshaft

Ein Jugendlicher wurde angeklagt, sich 2014 im Irak dem IS (Islamischer Staat) angeschlossen und sich an einer medial in Szene gesetzten Hinrichtung beteiligt zu haben. 2017 wurde er in dieser Sache festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Gegen seine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten unter anderem wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung durch das Kammergericht legte er Revision ein. Nunmehr forderte er die Aufhebung des Untersuchungshaftbefehls, weil der Zwei-Drittel-Zeitpunkt dieser Strafe bereits überschritten war. Das KG lehnte dies ab; der BGH schloss sich dieser Entscheidung mit Beschluss vom 20.04.2022 (Az.: StB 15/22) an.

Haftgrund Schwerkriminalität

Der BGH sieht den Haftgrund nach § 112 Abs. 3 StPO gegeben, weil der Jugendliche wegen dort namentlich aufgeführter Delikte verurteilt wurde. Fraglich sei allein, ob die Aufrechterhaltung des Haftbefehls noch verhältnismäßig ist, wenn die baldige Entlassung bevorsteht. Der 3. Strafsenat sah für eine Entlassung vor dem Endstrafenzeitpunkt nach § 88 JGG in elf Monaten jedoch wenig Gründe: Seit seiner Einreise in die Bundesrepublik habe der Jugendliche zahlreiche Gewalt-, Drogen- und Waffendelikte begangen. Die Jugendstrafanstalt habe ihn mit 17 Disziplinarstrafen belegt. Nach seiner Urteilsverkündung sei das neunte Mobiltelefon bei ihm gefunden worden. Das KG habe auch keinen guten Eindruck von ihm während des Prozesses gewinnen können, da er sich selbst dem Bundesanwalt gegenüber respektlos verhalten habe. Die Persönlichkeits- und Charaktermängel ließen auch annehmen, dass er sich dem weiteren Strafverfahren entziehen würde, sobald er auf freien Fuß gesetzt würde.

BGH, Beschluss vom 20.04.2022 - StB 15/22

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2022.