Untersuchungshaft für weibliches IS-Mitglied verlängert
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Gegen eine Frau, die der Mitgliedschaft des Islamischen Staates (IS) in Syrien verdächtig ist und deshalb seit März dieses Jahres in Untersuchungshaft sitzt, hat der Bundesgerichtshof die Fortdauer der Haft über sechs Monate hinaus angeordnet. Nach bisherigen Erkenntnissen habe nicht die Frau nur passiv im "Kalifat" gelebt, sondern die Ziele des IS vor und nach ihrer Festnahme durch kurdische Kräfte aktiv gefördert – unter anderem, indem sie nacheinander drei IS-Kämpfer geehelicht habe. Damit habe sie zum Ausdruck gebracht, dass es ihr maßgeblich um die Gewährleistung der Kampfbereitschaft ihrer Ehemänner für den IS ging.

Untersuchungshaft für IS-Anhängerin

Der BGH legte folgenden Sachverhalt zugrunde: Eine Deutsche heiratete nach islamischem Recht einen Mann, der dem salafistischen Islam anhing. Beide reisten 2013 gemeinsam in ein Herrschaftsgebiet des IS in Syrien und schlossen sich dieser Vereinigung ein Jahr später an. Ihr Mann wurde IS-Kämpfer und sie führte ihm den Haushalt, wobei sich beide der Ideologie des IS verschrieben und von der Vereinigung alimentiert wurden. Nachdem ihr Mann bei Kampfhandlungen gefallen war, heiratete sie einen anderen IS-Kämpfer und, nachdem auch dieser umgekommen war, einen dritten Krieger. 2019 wurde sie von den Kurden gefangen genommen. In deren Flüchtlingslager betrieb sie über Messenger-Dienste das IS-Projekt "Justice for Sisters" und warb damit für Spenden an die Insassinnen. Ende des Jahres holte sie ein hochrangiger IS-Funktionär aus dem Lager und heiratete sie. Das Spendenprojekt führte sie weiter. Im darauffolgenden Jahr geriet sie in türkische Gefangenschaft und im März 2022 schob der türkische Staat sie nach Deutschland ab. Seither befindet sie sich in Untersuchungshaft – hauptsächlich wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Im August wurde sie angeklagt, im Fall der Anklagezulassung plant das Oberlandesgericht Düsseldorf den Beginn der Hauptverhandlung im November 2022. Der BGH entschied, dass sie auch über die Dauer von sechs Monaten hinaus in Untersuchungshaft verbleiben wird.

Rolle der Frau im Islamischen Staat

Nach Ansicht des BGH, der sich in dem Beschluss ausführlich mit der Struktur und den Zielen des IS im Tatzeitraum beschäftigte, ist die Angeschuldigte dringend verdächtig, nach den §§ 129a und 129b StGB eine terroristische Vereinigung im Ausland aktiv gefördert zu haben: Ihr Teilgeständnis und die Auswertung ihrer virtuellen Kommunikation ließen erkennen, dass sie nicht nur passiv im "Kalifat" gelebt und ihre häuslichen Pflichten erfüllt, sondern die Ziele dieser Vereinigung aktiv gefördert habe. Allein ihre vier Eheschließungen bringen dem 3. Strafsenat zufolge zum Ausdruck, dass es ihr maßgeblich um die Gewährleistung der Kampfbereitschaft ihrer Ehemänner ging. Außerdem sei sie auch über deren Tode hinaus vom IS entlohnt worden. Der BGH stützte sich auf gesammelte Erkenntnisse des BKA zur Rolle der Frauen von IS-Kämpfern und der ihnen von der Vereinigung zugedachten Funktion im Jihad sowie auf Behördenerklärungen der Geheimdienste und polizeiliche Auswerteberichte.

Fluchtgefahr gegeben

Der BGH erwartet im Fall der Verurteilung eine Freiheitsstrafe, die der Angeschuldigten einen Fluchtanreiz biete, zumal die Haft in dem kurdischen Flüchtlingslager und im türkischen Gewahrsam nicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB angerechnet werden können. Da sie auch bei ihrer Ausreise alle Brücken hinter sich abgebrochen habe, gehe er nicht davon aus, dass sie jetzt über soziale Bindungen in Deutschland verfüge, die sie veranlassen würden, sich dem Verfahren zu stellen. Vielmehr vermutet der 3. Strafsenat nationale und internationale Verbindungen, die ihr ein Untertauchen ermöglichen würden. Angesichts des erheblichen Aktenumfangs von rund 100 Stehordnern (darunter 85 Beiakten) sei dem OLG auch eine angemessene Vorbereitungszeit zuzubilligen, sodass die Fortdauer der Untersuchungshaft nach den §§ 112 Abs. 2 Nr. 2 und 112 Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 121 Abs. 1 StPO auch über die sechs Monate hinaus noch gerechtfertigt sei.

Redaktion beck-aktuell, 4. Oktober 2022.