Unterlassungsanspruch nur gegen tatsächliche Äußerungen

Wird die Unterlassung einer Aussage verlangt, die sich sinngemäß einer Äußerung entnehmen lassen soll, muss sich diese daraus auch tatsächlich ergeben. Andernfalls fehlt es laut Bundesgerichtshof bereits an der Erstbegehung. Eines richterlichen Hinweises vor Klageabweisung, dass sich aus der Erklärung möglicherweise ein Unterlassungsanspruch bezüglich einer anderen Aussage ergeben könne, bedürfe es nicht.

Rechtsanwalt bekämpft Aussage einer Mailbox-Nachricht

Ein Fachanwalt für Medizinrecht nahm einen Facharzt für Innere Medizin und Onkologie unter anderem auf Unterlassung der Äußerung in Anspruch, er habe Parteiverrat begangen. 2014 hatte der Jurist den Arzt als damaligen Mehrheitsgesellschafter einer M GmbH außergerichtlich und gerichtlich im Rechtsstreit mit einer Minderheitsgesellschafterin vertreten. Die Auseinandersetzung endete per Vergleich, im Zuge dessen jene ihre Anteile für 2,55 Millionen Euro an den Arzt abtrat. Aus diesem Anlass nahm er ein Darlehen auf. Den dazugehörigen Vertrag entwarf die damalige Sozietät seines Anwalts. Zwischenzeitlich überwarf sich der Beklagte mit dem Geschäftsführer der Darlehensgeberin, der mittlerweile auch die M GmbH beherrschte. Der Kläger vertrat dabei die Gesellschaften. Daraufhin zeigte der Arzt den Juristen erfolglos an. Die Verfahren bei der Rechtsanwaltskammer sowie bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf wurden eingestellt nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO in Verbindung mit § 170 Abs. 2 StPO. 2017 kam der Beklagte geschäftlich in Kontakt mit einer Mandantin des Anwalts. Auf der Mailbox des Mobiltelefons deren Geschäftsführers hinterließ er im August 2017 eine teils unverständliche Nachricht über seine Konfliktsituation mit dem Anwalt und der Darlehensgeberin. Während die Klage beim LG Lübeck scheiterte, glückte sie beim OLG Schleswig. Mit der Formulierung "mit den ganzen anhänglichen Sachen wie" und "da hinter sich hat" erwecke der Mediziner den Eindruck eines objektiv begründeten und amtlich verfolgten Vorwurfs, so die Begründung. Aus der Sicht des Mitteilungsempfängers weise die Äußerung Elemente einer Tatsachenbehauptung auf. Die Revision des Beklagten hatte größtenteils Erfolg.

Es fehlt bereits an der Erstbegehungsgefahr

Dem VI. Zivilsenat zufolge hat der Anwalt gegen den Arzt keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 (analog) BGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB darauf, es zu unterlassen, die Behauptung, der Kläger habe Parteiverrat begangen, aufzustellen oder zu verbreiten. Es fehle bereits an der erforderlichen Erstbegehung. Der Beklagte habe die Behauptung in der Mailbox-Nachricht vom 11.08.2017 bei zutreffender Sinndeutung der Nachricht nicht aufgestellt. Denn der Kläger begehre nicht die Unterlassung einer von ihm wörtlich wiedergegebenen Äußerung des Beklagten. Es gehe ihm vielmehr darum, dem ehemaligen Mandanten mit dessen angeblicher Behauptung eine Aussage zu verbieten, die er dessen Äußerung nach eigener Interpretation entnehmen zu können meine. Ein Verletzungsunterlassungsanspruch setzt allerdings laut den BGH-Richtern gerade voraus, dass sich die vom Kläger bekämpfte Aussage den betreffenden Äußerungen tatsächlich entnehmen lässt. Der Hinweis auf den Vorwurf des Parteiverrats diene der näheren Umschreibung eines bereits bestehenden Konflikts. Aufgrund seiner Substanzlosigkeit sei er nicht geeignet, bei einem unvoreingenommenen und verständigen Empfänger die Vorstellung von einem bestimmten, den Vorwurf des Parteiverrats stützenden tatsächlichen Geschehen hervorzurufen. Ob die Nachricht möglicherweise andere Rechte des Juristen verletze, könne offenbleiben — der Klageantrag richte sich nur darauf die Behauptung des Parteiverrats untersagen zu lassen.

BGH, Urteil vom 21.06.2022 - VI ZR 395/19

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2022.