Unterhaltsvergleich und Versorgungsausgleich bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente

Bei einer gerichtlichen Vereinbarung zwischen Ehegatten, wonach Berufsunfähigkeitsrenten vollständig der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt werden, muss das Gericht prüfen, ob diese einem Versorgungsausgleich entgegensteht. Ist der Ausgleichsberechtigte nur geringfügig arbeitsfähig, genügt es laut Bundesgerichtshof aber grundsätzlich, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen einer (teilweisen) Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen.

Ausgleich von drei privaten Berufsunfähigkeitsrenten

Ein geschiedenes Paar lag im Streit über den Ausgleich dreier privater Berufsunfähigkeitsrenten des Ex-Manns. Seit März 2002 bezog er aus ihnen je zweimal 667 Euro vierteljährlich und einmal 145 monatlich. Die Renten waren bis März 2022 befristet. Beim AG Coesfeld schlossen die beiden im Scheidungsverbundverfahren einen Vergleich. Die Frau verzichtete auf rückständigen Trennungsunterhalt und erhielt keinen Zugewinnausgleich. Der Mann übertrug ihr seinen Miteigentumsanteil am gemeinsamen Haus und zahlte von April 2019 bis März 2022 monatlichen Unterhalt von 397 Euro. Der Vergleich enthielt folgende Abgeltungsklausel: "Mit dieser Vereinbarung sind alle wechselseitigen vermögensrechtlichen Ansprüche der Eheleute - seien sie bekannt oder unbekannt - erledigt." Das AG trennte den Versorgungsausgleich ab und verkündete die Scheidung. Es lehnte einen Versorgungsausgleich hinsichtlich der drei Berufsunfähigkeitsrenten ab. Das OLG Hamm verurteilte den Mann, bis März 2022 monatlich 295 Euro zu zahlen und ab Rechtskraft der Beschwerdeentscheidung seine hälftigen Ansprüche aus den drei Versicherungen an seine Ex-Frau abzutreten. Da sie die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beziehe, seien die privaten Berufsunfähigkeitsrenten nach § 28 VersAusglG (Ausgleich bei Invalidität) auszugleichen. Seine Rechtsbeschwerde beim BGH hatte Erfolg.

Inhalt des gerichtlichen Vergleichs hätte geklärt werden müssen

Der XII. Zivilsenat verwies die Sache an das OLG zurück. Es habe nicht hinreichend geprüft, ob die Vereinbarung der ehemaligen Eheleute einem Ausgleich der Berufsunfähigkeitsrenten entgegenstehe. Der Ex-Mann habe während des Beschwerdeverfahrens unter anderem wiederholt darauf hingewiesen, dass seine Berufsunfähigkeitsrenten bei der Unterhaltsberechnung im Vergleich vollständig berücksichtigt worden seien. Insofern werde das OLG nicht seiner Aufklärungs- und Ermittlungspflicht gerecht, indem es den Inhalt des Vergleichs nicht weiter aufgeklärt habe, bemängelte das Gericht. Denn träfe sein Vorbringen zu, käme sowohl eine Auslegung dahingehend in Betracht, dass er zugleich einen (konkludenten) Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 6 VersAusglG enthalte, als auch ein (teilweiser) Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG. Dabei müsse insbesondere auch die im Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel zu berücksichtigt werden.

Gesundheitliche Voraussetzungen waren erfüllt

Der BGH erteilte den Hinweis, dass es für einen Ausgleich nach § 28 VersAusglG grundsätzlich genüge, wenn - wie hier - der ausgleichsberechtigte Ehegatte wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung keiner vollschichtigen Berufstätigkeit mehr nachgehen könne und die gesundheitlichen Voraussetzungen einer (teilweisen) Erwerbsminderungsrente erfüllt seien.

BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - XII ZB 83/20

Redaktion beck-aktuell, 29. September 2022.