Therapie in 90 Kilometer Entfernung
Ein an Schizophrenie erkrankter Schuldner wehrte sich gegen die Pfändung seines Autos. Er teilte mit, er habe es 2017 für rund 10.500 Euro überwiegend mit Mitteln aus dem Fonds "Heimerziehung in der DDR in den Jahren 1949 bis 1990" erworben. Sein Einwand: Da Ansprüche gegen den Fonds unpfändbar seien, sei auch das Fahrzeug selbst der Pfändung entzogen. Zudem sei er auf den Wagen angewiesen, um regelmäßig Sitzungen mit seiner Therapeutin in 90 Kilometer Entfernung wahrnehmen zu können. In akuten Phasen suche er diese etwa zweimal wöchentlich auf. In diesem Zustand könne er keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, da er sich dann von anderen Menschen bedroht fühle und ohne Anlass aggressiv reagiere.
LG: Nicht auf den Pkw angewiesen
Mit seinem Anliegen scheiterte der Schuldner sowohl beim Amtsgericht Erfurt als auch beim dortigen Landgericht. Die Pfändung des Autos sei zu Recht erfolgt. Anders als bei einem außergewöhnlich gehbehinderten Menschen, dem erst die Benutzung eines Fahrzeugs die Chance gebe, angemessen am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen, sei der Betreute aufgrund seiner Erkrankung zur Pflege seiner allgemeinen sozialen Kontakte grundsätzlich nicht auf den Pkw angewiesen. Seine Therapie könne er auch ortsnah durchführen lassen. Selbst ein Umzug sei zumutbar. Die Rechtsbeschwerde beim BGH hatte – nach geglückter Wiedereinsetzung – Erfolg und führte zur Zurückverweisung.
Auswirkungen der Erkrankung klärungsbedürftig
Ein Pfändungsverbot für den Pkw kann dem VII. Zivilsenat zufolge nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die Feststellungen des LG, wonach der Mann aufgrund seiner psychischen Krankheit zur Pflege seiner allgemeinen sozialen Kontakte grundsätzlich nicht auf den Pkw angewiesen sei, seien "jedenfalls lückenhaft", monierte der BGH. Zwar resultierten aus der vom Schuldner für nötig erachteten Nutzung des Fahrzeugs zum Aufsuchen seiner Therapeutin für sich genommen keine "gesundheitlichen Gründe" im Sinne dieser Vorschrift. Denkbar sei aber, dass er den Wagen benötige, um damit die aus seiner psychischen Erkrankung herrührende Nachteile teilweise zu kompensieren und seine Eingliederung in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern. Die Pfändung eines Fahrzeugs habe demnach zu unterbleiben, wenn dem Schuldner wegen einer psychischen Erkrankung die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei. Das LG müsse nunmehr etwaige Auswirkungen der psychischen Erkrankung auf die Zumutbarkeit für den Schuldner, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, prüfen. Ob der Schuldner insbesondere in akuten Krankheitsphasen dann überhaupt fahrtauglich sei, müsse ebenfalls geklärt werden.