BGH: Unitymedia darf ohne Zustimmung WLAN-Hotspots auf Kunden-Routern einrichten

Die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf dem von einem Telekommunikationsdienstleister seinen Kunden zur Verfügung gestellten WLAN-Router, das von Dritten genutzt werden kann, ist wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn den Kunden ein Widerspruchsrecht zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits- und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.04.2019 entschieden (Az.: I ZR 23/18). Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte ohne Erfolg eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik durch Unitymedia geltend gemacht.

Klägerin rügte unzumutbare Belästigung und aggressive Geschäftspraktik

Die Beklagte bietet Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie stellt den Kunden ihrer Internetanschlussleistungen auf Wunsch kostenfrei einen WLAN-Router zur Verfügung, der gegen unberechtigten Zugang Dritter durch eine mit einem Passwort geschützte Verschlüsselung gesichert ist. Der Router verbleibt im Eigentum der Beklagten. Anfang 2016 teilte die Beklagte ihren Kunden mit, sie werde zur Erstellung eines flächendeckenden WLAN-Netzes die Konfiguration der WLAN-Router dahin ändern, dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das Dritten einen Zugang zum Internet eröffne. Die Klägerin, eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, beanstandete, dass diese unaufgeforderte Einrichtung eines Wifi-Spots bei Verbrauchern eine unzumutbare Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik darstelle. 

OLG wies Klage ab 

Die Klägerin verlangte von der Beklagten Unterlassung der Aktivierung des separaten WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht vertraglich vereinbart worden ist und diese kein Einverständnis erklärt haben. Das Landgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht nahm an, die Aktivierung eines zusätzlichen Signals beeinträchtige die geschuldete Vertragsleistung nicht (BeckRS 2018, 1762). Eine mögliche Belästigung durch die einseitige Aufschaltung des zweiten WLAN-Signals sei jedenfalls nicht unzumutbar, weil die Kunden dem jederzeit – auch nachträglich – widersprechen könnten. Eine aggressive Geschäftspraktik liege nicht vor. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

BGH verneint Belästigung

Der BGH hat die Revision zurückgewiesen. Die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals stelle keine Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Die geschuldete Vertragsleistung – Zugang zum Internet – werde durch das zweite WLAN-Signal nicht beeinträchtigt. Ein ausschließliches Nutzungsrecht der im Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte entgegenstehen könnte, sähen die Verträge über Internetzugangsleistungen nicht vor. Der ungestörte Gebrauch des Routers durch die Kunden werde weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt.

Keine aufgedrängte Dienstleistung

Weiter führt der BGH aus, dass in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch keine aufgedrängte Dienstleistung liege. Die Beklagte eröffne ihren Kunden mit der Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen. Die Klägerin wolle der Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses Signals liege für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers.

Weder Sicherheits- und Haftungsrisiken noch Mehrkosten

Auch sonst gibt es laut BGH keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG darstellt. Die Aktivierung sei ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringe. Sie erfordere weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der Internetzugang der Kunden werde durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zulasten der Kunden habe das Berufungsgericht nicht festgestellt. Für die Kunden bestehe auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechtsverletzungen zu haften.

Kunde kann zeitlich unbegrenzt widersprechen

Gegen eine Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG spricht dem BGH zufolge schließlich das zeitlich uneingeschränkte Widerspruchsrecht der Kunden. Sie könnten die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch kurzfristig – spätestens zum übernächsten Werktag – beenden.

Belästigung jedenfalls nicht unzumutbar – Keine Vergleichbarkeit mit E-Mail-Werbung 

Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der Belästigung, so der BGH. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden würden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spreche ferner das jederzeitige Widerspruchsrecht der Kunden. Die Freischaltung des zweiten WLAN-Signals sei auch nicht mit der in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu ähnlichen Beeinträchtigungen führe.

Keine aggressive Geschäftspraktik

Eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG liege schon deshalb nicht vor, weil den Kunden ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht zustehe und ihre Entscheidungsfreiheit daher nicht beeinträchtigt werde, schließt der BGH

BGH, Urteil vom 25.04.2019 - I ZR 23/18

Redaktion beck-aktuell, 25. April 2019.