Unbegründete Nebenklagerevision: Keine Korrektur der Rechtsfolge zugunsten des Angeklagten

Hat nur die Nebenklage gegen ein Strafurteil Revision eingelegt, darf das Urteil nicht über deren Angriff hinaus auf den Angeklagten begünstigende Fehler des Rechtsfolgenausspruchs überprüft werden. Der Bundesgerichtshof lehnte eine solche Kontrollbefugnis in einem Fall ab, in dem der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme zur Nebenklagerevision Zweifel an einem Maßregelausspruch anmeldete. Der Gesetzgeber habe die Rolle der Nebenklage im Opferschutzgesetz 1986 beschneiden wollen. 

Wegen Mordes angeklagt, wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt

Ein Mann hatte sich auf einer Faschingsparty schwer unter Drogen und Alkohol gesetzt. Seine Stimmung war äußerst angespannt, als er von seiner Begleiterin erfuhr, dass sie mit dem späteren Opfer eine tätliche Auseinandersetzung gehabt habe. Er beschloss, dem Widersacher seiner Freundin einen Denkzettel zu verpassen. Maskiert stach er von hinten vier Mal auf diesen ein: Erst in den Rücken, dann in die Schulter und zweimal in den Arm. Der andere drehte sich um und der Täter erkannte erst anhand des schmerzverzerrten Gesichts, dass seine Stiche eine gravierende Wirkung gehabt hatten. Er ließ von dem Verletzten ab und rannte davon. Das Landgericht Limburg verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von fünfeinhalb Jahren und ordnete den Maßregelvollzug nach Verbüßung von anderthalb Jahren Strafvollzug an. Gegen dieses Urteil legte der Nebenkläger Revision zum Bundesgerichtshof ein – ohne Erfolg.

Vom Tötungsdelikt strafbefreiend zurückgetreten

Der Forderung des Nebenklägers, der Täter möge wegen versuchten Mordes verurteilt werden, kann dem BGH zufolge nicht nachgekommen werden: Die Bewertung des Landgerichts, wonach er freiwillig von der Tötung zurückgetreten sei, enthalte keinen Rechtsfehler. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB könne der Täter eines versuchten Delikts strafbefreiend vom unbeendeten Versuch zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgebe. Hier habe sich der Mann über den Schmerz im Gesicht des Opfers erschrocken und sich entschieden, seinen Angriff zu beenden. Umstände, die die Freiwilligkeit des Entschlusses infrage stellten, habe das Landgericht nicht festgestellt. Die Karlsruher Richter wiesen die Revision der Nebenklage daher als unbegründet zurück.

Nebenklägerrevision zugunsten des Angeklagten möglich?

Der Generalbundesanwalt, der genauso wie der Angeklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte, bezweifelte in seiner Stellungnahme die Rechtmäßigkeit des Maßregelausspruchs. Die Bundesrichter lehnten es jedoch ab, diese Zweifel überhaupt zu prüfen, denn die unbegründete Nebenklagerevision eröffne diesbezüglich keinerlei Kontrollbefugnis. Nur die Revision der Staatsanwaltschaft veranlasse den BGH nach § 301 StPO, das Urteil auch umfassend zugunsten des Angeklagten zu überprüfen. Die Vorschriften der Nebenklage enthielten keine Verweisung auf § 301 StPO und die Neukonzeption der Nebenklage durch das Opferschutzgesetz von 1986 habe dessen Rechtsmittelbefugnis deutlich eingeschränkt. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird, weil der Nebenklage kein legitimes Interesse an der Höhe der Strafe zustehe, so der 2. Strafsenat. Es erscheine systemwidrig, wenn der Nebenkläger nun über § 301 StPO eine solche tragende Rolle spielen dürfe. Daher gebe der Senat seine bisher diesbezüglich gegenteilige Rechtsprechung auf.

BGH, Urteil vom 02.02.2022 - 2 StR 41/21

Redaktion beck-aktuell, 24. März 2022.