Überzahlte Gerichtskosten an Rechtsschutzversicherer auszukehren

Zahlt die Gerichtskasse unverbrauchte Gerichtskosten an den Prozessbevollmächtigten, muss dieser die Erstattung an den Rechtsschutzversicherer weitergeben, wenn die Versicherung die Gerichtskosten vorgelegt hat. Der Anspruch der Mandantschaft auf Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten geht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auf die Versicherung über. Ein Quotenvorrecht der Versicherten im Hinblick auf die überzahlten Gerichtskosten bestehe nicht.

Nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses Vergleich geschlossen

Eine Rechtsschutzversicherung erteilte seinen Versicherungsnehmern, einem Ehepaar, eine Deckungszusage für einen gerichtlichen Streit gegen eine Bank und zahlte nach Anforderung den Gerichtskostenvorschuss in Höhe von rund 4.500 Euro ein. Vor Gericht schlossen Bank und Eheleute dann einen Vergleich, wonach unter anderem Kostenaufhebung – jede Partei trägt ihre Kosten selbst – vereinbart wurde. Da sich deshalb die Gerichtsgebühren verringerten, überwies die Gerichtskasse dem Prozessbevollmächtigten der Eheleute den Überschuss in Höhe von rund 3.000 Euro zurück. Der Anwalt rechnete sein Honorar für die außergerichtliche Tätigkeit und für die Einholung der Deckungszusage dagegen auf und überwies der Versicherung nur noch knapp 600 Euro. Diese verlangte vor dem Amtsgericht Bremen erfolglos den Restbetrag. Das Landgericht Bremen sprach der Versicherung die Forderung zu. Sein Urteil wurde vom BGH bestätigt.

Anspruch aus Geschäftsbesorgungsvertrag gegeben

Die Rechtsschutzversicherung hat dem BGH zufolge gegen die Rechtsanwaltskanzlei einen Anspruch auf Herausgabe des überschießenden Gerichtskostenvorschusses aus §§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit §§ 675 Abs. 1, 667 BGB. Sie habe ihre Versicherungsnehmer von den Rechtsverfolgungskosten freigestellt, indem sie den fälligen Vorschuss eingezahlt habe. Die Kanzlei habe die Rückerstattung nach § 29 Abs. 4 KostVfG für ihre Mandanten erlangt. Wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs in § 86 VVG sei es unerheblich, ob die Gerichtskasse den Anspruch der Mandanten oder der Versicherung erfüllt habe, denn die Kanzlei habe hier lediglich die Rolle einer Zahlstelle gespielt. Der Anspruch auf Auskehr der Erstattung entstehe mit Geldeingang.

Kein Quotenvorrecht der Versicherten

Laut den Karlsruher Richtern besteht für Erstattungsansprüche wegen überzahlter Gerichtskosten kein Quotenvorrecht (ein Versicherungsnehmer, der an einem Unfall oder Schadensvorfall eine Mithaftung trägt, kann seine Schadenersatzquote auf die eigene Versicherung übertragen). Dieses Vorrecht diene nur dazu, den Schaden vollständig zu befriedigen, soweit die Ansprüche deckungsgleich seien. Hier aber sei der Schaden – die Kosten der Rechtsverfolgung – durch die Versicherung bereits vollständig beglichen worden.

Keine Aufrechnungslage gegeben

Die Kanzlei könne auch nicht ihren Anspruch auf Begleichung der Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit gegen ihre Mandantschaft gegenüber der Versicherung aufrechnen. Nach § 387 BGB könnten nur gegenseitige Forderungen aufgerechnet werden – eine Drittaufrechnung sei nicht möglich, so der BGH.

BGH, Urteil vom 10.06.2021 - IX ZR 76/20

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2021.