Über­spann­te An­for­de­run­gen an Vor­trag zu Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten

Lässt ein Ge­richt ent­schei­dungs­er­heb­li­ches Vor­brin­gen und Be­weis­an­ge­bo­te einer Par­tei gänz­lich un­be­rück­sich­tigt, liegt darin ein Ge­hörs­ver­stoß. Er­scheint nach dem Vor­trag das Ent­ste­hen von aus­gleichs­pflich­ti­gen Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten mög­lich, so kann die Kla­ge­for­de­rung nicht ins­ge­samt als un­schlüs­sig be­wer­tet wer­den, be­ton­te der Bun­des­ge­richts­hof. Viel­mehr müsse dann eine Be­weis­auf­nah­me statt­fin­den.

Bau­un­ter­neh­me­rin bes­sert man­gel­haf­te Bal­kon­dä­cher nach

Eine Bau­un­ter­neh­me­rin ver­klag­te eine Ar­chi­tek­tin unter an­de­rem auf Ge­samt­schuld­ner­aus­gleich für eine von ihr ge­leis­te­te Man­gel­be­sei­ti­gung in Höhe von rund 211.200 Euro (70% der Ge­samt­sa­nie­rungs­kos­ten). Die Be­klag­te war von ihrer Streit­hel­fe­rin mit der Aus­füh­rungs­pla­nung für die Dä­cher über den Bal­ko­nen eines Bau­ob­jekts sowie der Er­stel­lung eines Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses be­auf­tragt wor­den. Auf deren Grund­la­ge er­stell­te die Klä­ge­rin im Ja­nu­ar 2014 ein An­ge­bot – mel­de­te aber Be­den­ken hin­sicht­lich der Pla­nung an. Sie wurde von der Streit­hel­fe­rin be­auf­tragt und ließ im Mai 2014 einen pla­ne­ri­schen Son­der­vor­schlag er­stel­len. Die­sen gab die Be­klag­te frei. Die Bal­kon­dä­cher waren un­dicht, so dass Was­ser ein­trat. Der von der Streit­hel­fe­rin be­auf­trag­te Pri­vat­gut­ach­ter stell­te fest, dass die Dach­ein­de­ckung nicht den all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik ent­sprach. Die Streit­hel­fe­rin lehn­te den Nach­bes­se­rungs­vor­schlag der Klä­ge­rin – eine Son­der­lö­sung – zu­nächst ab, ak­zep­tier­te ihn aber schlie­ß­lich. Dar­auf­hin führ­te die Un­ter­neh­me­rin die Sa­nie­rung durch.

Vor­in­stan­zen leh­nen Man­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten ab

Die Klage schei­ter­te so­wohl beim LG Mün­chen I als auch beim dor­ti­gen OLG. Die Klä­ge­rin habe nicht schlüs­sig zur Höhe des An­spruchs auf Ge­samt­schuld­ner­aus­gleich vor­ge­tra­gen. Die Kos­ten der ei­gent­li­chen Man­gel­be­sei­ti­gung und die dafür er­for­der­li­chen Ar­beits­schrit­te sowie ent­stan­de­ne Fremd- und Ei­gen­kos­ten seien nicht nach­voll­zieh­bar. Da das LG be­reits hin­rei­chend ver­ständ­lich auf die man­gel­haf­te Dar­le­gung des Scha­dens hin­ge­wie­sen habe, hätte kein er­neu­ter Hin­weis und damit auch keine Schrift­satz­frist er­ge­hen müs­sen. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de beim BGH hatte Er­folg.

Dar­le­gung zur Höhe des Aus­gleichs­an­spruchs ist klä­rungs­be­dürf­tig

Dem VII. Zi­vil­se­nat zu­fol­ge be­ruht die An­nah­me des OLG, die Klä­ge­rin habe zur Höhe des Aus­gleichs­an­spruchs ins­ge­samt nicht schlüs­sig vor­ge­tra­gen, auf einer of­fen­kun­di­gen Über­span­nung der Sub­stan­zi­ie­rungs­an­for­de­run­gen. Dies habe sie in ihrem An­spruch auf recht­li­ches Gehör ver­letzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Ihr Vor­trag hätte be­reits auf Grund­la­ge der erst­in­stanz­li­chen Dar­le­gun­gen nicht ins­ge­samt als un­schlüs­sig zu­rück­ge­wie­sen wer­den dür­fen, so die Kri­tik aus Karls­ru­he. In jedem Fall hätte das OLG auf Grund­la­ge ihres nach­ge­las­se­nen Schrift­sat­zes nebst An­la­gen zu den näher be­schrie­be­nen Ar­bei­ten und Kos­ten­an­tei­len in die Be­weis­auf­nah­me ein­tre­ten müs­sen. Der BGH ver­wies die Sache daher an das OLG zu­rück. Er könne nicht aus­schlie­ßen, dass es zu einem für die Klä­ge­rin güns­ti­ge­ren Er­geb­nis ge­langt wäre, wenn es die Dar­le­gung zur Höhe des Aus­gleichs­an­spruchs für aus­rei­chend sub­stan­zi­iert er­ach­tet und die an­ge­bo­te­nen Be­wei­se er­ho­ben hätte. Dies müsse das OLG nun­mehr nach­ho­len.

BGH, Beschluss vom 10.08.2022 - VII ZR 243/19

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2022.

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