Überspannte Anforderung an Vortrag zur Schadenshöhe

Vortrag zu Zeit- und Restwert von Gegenständen ist für eine Schätzung des entstandenen Schadens nicht zwingend erforderlich. Dem Bundesgerichtshof zufolge sind an die vorzutragenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen. Diese erhöhten sich auch nicht, wenn Ersatz auf Basis des Neuwerts geltend gemacht werde. Eine Klageabweisung trotz ausreichender Anhaltspunkte für eine Bewertung verletze das rechtliche Gehör.

Bei der falschen Firma die Möbel eingelagert

Eine Frau beauftragte 2008 eine Spedition, ihren Hausrat abzuholen und einzulagern. Neun Jahre später ließ sie alles wieder abholen und stellte fest, dass 139 Gegenstände entweder verloren oder beschädigt waren. Sie forderte daher Schadensersatz in Höhe von 38.000 Euro, entsprechend dem Neuwert der Sachen. Ihre Klageschrift enthielt eine tabellarische Auflistung aller abhandengekommener und beschädigter Gegenstände samt Anschaffungsjahr und -preis. Sie beschrieb jeden einzelnen Schaden nach Art und Ausmaß, gab einen Wiederbeschaffungswert an und bezog sich auf eine der Klageschrift beigefügte DVD mit Bildern. In den Vorinstanzen war sie erfolglos, das Oberlandesgericht Köln wies die Klage mit der Begründung ab, sie habe die die Schadenshöhe begründenden Tatsachen nicht ausreichend konkret dargelegt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof hatte die Frau Erfolg.

Verletzung rechtlichen Gehörs

Nach Art. 103 Abs. 1 GG hätten die Parteien das Recht, sich zu dem streitigen Anspruch zu äußern, so die Kalsruher Richter. Dem entspreche die Pflicht des Gerichts, die Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei dürfe es die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags nicht überstrapazieren. Die Ansicht, die Klägerin habe ihrer Darlegungslast nicht genügt, wertet der I. Zivilsenat als Folge einer "offenkundigen Überspannung" dieser Maßstäbe. Die Auftraggeberin habe mit der ausführlichen Tabelle der Gegenstände genügend vorgetragen, um dem Gericht eine Schätzung über die Schadenshöhe nach § 287 ZPO zu ermöglichen. Zweifel an der Abrechnung auf Basis des Neuwerts hätten im Ergebnis zur Korrektur der Schadenshöhe führen können, nicht aber zur Abweisung der Klage insgesamt. Da eine Schätzung möglich gewesen wäre, hätte dem BGH zufolge über Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs entschieden werden müssen. Die Karlsruher Richter hoben das Urteil des OLG auf und verwiesen die Sache zurück.

BGH, Beschluss vom 04.02.2021 - I ZR 169/20

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2021.