Trassenentgelte: Ersatzansprüche bei Preishöhenmissbrauch

Wendet die Netz­toch­ter der Deut­schen Bahn AG als markt­be­herr­schen­des Un­ter­neh­men ein undurchsichtiges Preisbildungssystem an, kann dies den Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt verfälschen. Der Tatrichter kann einem solchen Verstoß laut Bundesgerichtshof erhebliche Indizwirkung beimessen und bereits deshalb von einem missbräuchlichen Verhalten überzeugt sein.

Streit um Infrastrukturnutzungsentgelte

Ein auf Charterfahrten spezialisiertes Eisenbahnunternehmen verlangt die Rückzahlung geleisteter Trassennutzungsentgelte in Höhe von 175.000 Euro. Es hatte mit einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG einen Rahmenvertrag geschlossen. Für die Nutzung ihrer Trassen erhob diese ein Entgelt (sogenannte Trassenpreise). Grundlage dafür war ein streckenspezifisches Basisentgelt, das sich nach einer Vielzahl von Faktoren richtete.  Anfang 2017 führte die Bahntochter ein neues Preissystem (TPS 2018) ein. Es sah erstmals ein eigenes Marktsegment "Charterverkehr/Nostalgie" vor, für das die Bundesnetzagentur im Februar 2017 ein Entgelt von 2,05 Euro pro Trassenkilometer genehmigte.  Das neue System führte bei dem Verkehrsunternehmen zu Preiserhöhungen.

OLG sieht Ungleichbehandlung

Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage zurück und verurteilte die Charterfirma auf die Widerklage der DB Netz AG hin zur Zahlung ausstehender Entgelte von 50.000 Euro. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied demgegenüber gegen die Bahntochter, da die Ausgestaltung des Preissystems gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. c AEUV verstoße. Die konkreten Preise ließen keine Zuordnung zu den nach § 14 Abs. 4 AEG geforderten Entgeltgrundsätzen erkennen - anders nun aber der Kartellsenat in Karlsruhe.

Einheitliche Beantwortung

Aus Sicht der Karlsruher Richter durfte das OLG kein Teilgrundurteil über den Klageanspruch erlassen, weil dieser mit dem noch nicht entschiedenen Teil der Widerklage materiell-rechtlich verzahnt sei. Vielmehr hätte es die Frage, ob das Preisverhalten der DB Netz AG den Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV erfülle, einheitlich für Klage und Widerklage beantworten müssen. Damit sollten sich widersprechende Entscheidungen verhindert werden.

Neue Runde in Vorinstanz

Die Oberlandesrichter am Main müssen jetzt prüfen, inwieweit es dem von der Regulierungsbehörde für das TPS 2017/18 genehmigten Entgelt in Höhe von 2,05 Euro pro Trassenkilometer für das Segment "Charterverkehr/Nostalgie" bereits eine hinreichende Indizwirkung beimisst, oder ob es den weiteren Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens abwartet.

BGH, Urteil vom 21.09.2021 - KZR 88/20

Redaktion beck-aktuell, 24. November 2021.