Teurer Ausstieg aus Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst

Nachdem der Bundesgerichtshof bereits zweimal die Gegenwertbestimmungen der VBL bei Ausscheiden eines Beteiligten für unwirksam erklärt hat, ist der dritte Versuch überwiegend geglückt: Nur die Vorschrift zur Reinverzinsung und zur Ausübungsfrist für verschiedene Modelle der Gegenwertzahlung haben in Karlsruhe keinen Bestand.

Keine wirksamen Ausstiegsregeln

Eine Arbeitgeberin schied nach sechs Jahren im Jahr 2010 aus dem Abrechnungsverband West der VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) aus. Den Ausgleich gegenseitiger Ansprüche bei Beendigung der Beteiligung hat die VBL per AGB geregelt: Danach hat der Ausscheidende für die von ihm eingebrachten Versorgungsberechtigten einen Gegenwert für die weiterhin zu erfüllenden Verpflichtungen der VBL zu entrichten. Zwei dieser Gegenwertregelungen wurden vom BGH 2012 und 2016 wegen unangemessener Benachteiligung der Ausgeschiedenen bereits für unwirksam erklärt. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durfte der Gegenstand aber auch für bereits ausgeschiedene Beteiligte neu geregelt werden. Die VBL änderte die Satzung 2016 erneut und forderte nun einen Gegenwert in Höhe von rund 600.000 Euro von der ausgeschiedenen Beteiligten. Nachdem das Landgericht Karlsruhe der Klage überwiegend stattgegeben hatte, kürzte das Oberlandesgericht den Anspruch um knapp 130.000 Euro. Beide Parteien erhoben Revision zum BGH – ohne Erfolg.

Reinverzinsung ab Verzug erster Gegenwertmitteilung unwirksam

Die jährliche Verzinsung einen Monat nach der ersten Mitteilung des Gegenwerts im Jahr 2010 ist dem IV. Zivilsenat zufolge nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie den ausgeschiedenen Arbeitgeber unangemessen benachteiligt: Die VBL habe zwar ein Interesse an der Verzinsung des noch geschuldeten Gegenwerts. Da aber die bisherigen Gegenwertregelungen unwirksam waren, sei es unbillig, den Arbeitgeber diese Last aufzubürden, zumal er nicht für die Unwirksamkeit der Regelungen verantwortlich gewesen sei.

Dreimonatige Entscheidungsfrist zu kurz

Die Regelung, wonach der Ausscheidende den Barwert der bei der VBL verbliebenen Versorgungslast als Einmalzahlung entrichten muss, wird laut den Karlsruher Richtern durch die Option, innerhalb von drei Monaten nach dem Verlassen das sogenannte Erstattungsmodell (der Verlassende erstattet der VBL deren Aufwendungen) oder die Neuberechnung des Gegenwerts zu einem bestimmten Ausscheidungszeitpunkt zu wählen, gemildert. Allerdings halten die Richter den Zeitraum von drei Monaten für unangemessen kurz: Die konkreten Berechnungsmethoden und Rechnungsgrundlagen würden erst mit Ausscheiden bekanntgegeben, und erst dann könne der ehemalige Beteiligte mit einem versicherungsmathematischen Gutachten die günstigste Option für den Verlassenden ermitteln. Für diesen Aufwand seien drei Monate zu kurz.

Übrige Bestimmungen nicht tangiert

Eine Anrechnung von Vermögenswerten der VBL bei der Gegenwertberechnung hält der BGH für nicht zwingend geboten, weil die Regelung auch keine Nachschusspflicht bei Unterdeckung fordert. Auch das Rückwirkungsverbot nach Art. 20 Abs. 3 GG sei nicht verletzt worden, so der BGH. Weil die Ausgeschiedene von Beginn an wusste, dass die VBL einen berechtigten Ausgleichsanspruch hatte, könne sie keinen Vertrauensschutz – auch nicht im Hinblick auf die zwei vorherigen BGH-Urteile – geltend machen. Trotz der Unwirksamkeit zweier AGB-Klauseln bleiben nach Ansicht der Bundesrichter die übrigen Bestimmungen bestehen: Sie bilden gemäß § 306 Abs. 1 BGB im Gesamtgefüge des Vertrags noch eine sinnvolle Einheit, die durch die unwirksamen Teile nicht leidet.

BGH, Urteil vom 06.10.2021 - IV ZR 96/19

Redaktion beck-aktuell, 10. November 2021.