Terminsverlegung: Entbindung vom persönlichen Erscheinen wirkt fort

In Bußgeldsachen eine häufige Konstellation: Der Mandant lässt sich vom persönlichen Erscheinen befreien. Muss nach einer Terminsverlegung der Antrag wiederholt werden? Der BGH hat jetzt entschieden, dass die nicht auf einen konkreten Termin bezogene Befreiung nicht verbraucht wird.

Ein Autofahrer kassierte wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (die Ampel war bei der Überfahrt schon länger als 1 Sekunde rot) und Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 250 Euro und einen Monat Fahrverbot. Gegen den Bescheid erhob er Einspruch. Im Vorfeld der Hauptverhandlung am 11. Oktober 2021 räumte er seine Fahrereigenschaft ein und beantragte die Entbindung von der Pflicht, selbst vor Gericht zu erscheinen. Das Amtsgericht befreite ihn "antragsgemäß".

Der Termin fand allerdings nicht statt. Das Gericht schickte vielmehr eine Umladung für Anfang November. Nachdem dort weder der Verteidiger noch der Fahrer selbst erschienen waren, verwarf das AG den Einspruch, weil der Betroffene trotz Pflicht zur Anwesenheit nicht gekommen war. Das Kammergericht war ebenfalls der Auffassung, dass ein neuer Entbindungsantrag notwendig gewesen wäre. Jedoch stand dem eine Entscheidung des OLG Bamberg entgegen. Nachdem das nunmehr in Bayern für solche Fragen zuständige BayObLG von dieser Rechtsprechung nicht abrücken wollte, musste der BGH die Frage klären und entschied zugunsten des Fahrers.

Entbindung wirkt bei bloßer Terminsverlegung fort

Der nicht auf einen konkreten Termin beschränkte Beschluss, den Betroffenen von seiner Pflicht zu befreien, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, wirkt fort, wenn der Gerichtstermin verlegt wird. Der BGH (Beschluss vom 10.10.2023 – 4 StR 94/22) begründet diese Entscheidung vor allem mit dem Wortlaut und dem Zweck des § 73 Abs. 2 OWiG. So stelle die Vorschrift auf die gesamte Hauptverhandlung im Sinne des § 229 StPO ab, nicht auf anberaumte einzelne Termine. Der Gesetzgeber unterscheide auch zwischen "der Hauptverhandlung" und "dem Hauptverhandlungstermin" (so etwa in § 329 StPO).

Zumindest bei den üblichen Gründen für eine Terminsverlegung (Verhinderung von Gericht oder Verteidiger) ändert sich, so der 4. Strafsenat, an der Grundlage für die vorangegangene Befreiung nichts. Von sich aus könne das Gericht die Entbindung nur aufheben, wenn die Anwesenheit nun doch zur Aufklärung notwendig wäre. Für eine derart geänderte Einschätzung böten die rein formalen Akte der Terminsaufhebung und Umladung keine Anhaltspunkte. Anders als nach einer Aussetzung finde bei einer Terminsverlegung auch keine "neue" Hauptverhandlung im Rechtssinne statt. 

BGH, Beschluss vom 10.10.2023 - 4 StR 94/22

Redaktion beck-aktuell, rw, 26. Januar 2024.