BGH: Telekom-Entgelt für Kabelkanal-Nutzung durch Vodafone eventuell zu hoch

Das Verfahren im Streit zwischen Vodafone Kabel Deutschland und der Telekom um die Höhe der Entgelte für die Nutzung von Kabelkanälen durch Vodafone geht weiter. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2017 unterliegen Entgelte grundsätzlich dann der Missbrauchskontrolle nach § 19 GWB, wenn der Erwerb eines langfristig nutzbaren Investitionsguts von einem bestimmten Unternehmen einen spezifischen Bedarf des Erwerbers begründet, den er nur bei diesem Unternehmen befriedigen kann. Das Oberlandesgericht muss sich jetzt erneut mit der Sache auseinandersetzen und insbesondere klären, ob die Telekom ihre Marktmacht missbraucht hat (Az.: KZR 2/15 – Kabelkanalanlage).

Vodafone Eigentümerin der Breitbandkabel – Telekom der Kabelkanalanlagen

Die Klägerin, die Vodafone Kabel Deutschland GmbH, betreibt in den meisten deutschen Bundesländern Breitbandkabelnetze, über die sie ihren Kunden Fernsehen und Telekommunikationsdienstleistungen anbietet. Ursprünglich wurden diese Netze von der beklagten Deutschen Telekom AG betrieben. Mit Rücksicht auf unionsrechtliche Vorgaben brachte diese das Breitbandkabelgeschäft in eine Tochtergesellschaft ein, die sodann in mehrere Regionalgesellschaften aufgespalten wurde. Die Klägerin erwarb 2003 von der Beklagten eine Reihe dieser Regionalgesellschaften. Gegenstand des Erwerbs war auch das Anlagevermögen, das im Wesentlichen aus den Breitbandkabelnetzen bestand. Dagegen blieben die Kabelkanalanlagen, in denen die Breitbandkabel liegen, Eigentum der Beklagten. Die Breitbandkabel verblieben in den Kabelkanalanlagen der Beklagten. Die Parteien schlossen hierzu Mietverträge, die bestimmte Entgelte für die Befugnis zur Mitbenutzung der Kabelkanalanlagen vorsehen. Diese Entgelte, jährlich rund 100 Millionen Euro, wurden in der Vergangenheit von der Klägerin bezahlt.

Bundesnetzagentur setzte Entgelt für Überlassung der Kabelkanalanlagen fest

Die Beklagte unterliegt hinsichtlich des Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen, der sogenannten letzten Meile, der Regulierung nach dem Telekommunikationsgesetz. Die Bundesnetzagentur hat der Beklagten aufgegeben, den Wettbewerbern auf dem Gebiet von Telekommunikationsdienstleistungen Zugang zu ihren Kabelkanalanlagen zu gewähren und das Entgelt für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs im Jahr 2010 auf 1,44 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt. Die entsprechende Verfügung wurde angefochten und ist nicht bestandskräftig. In einer weiteren, ebenfalls nicht bestandskräftigen Verfügung der Bundesnetzagentur vom November 2011 wurde das Entgelt auf 1,08 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt.

Vodafone beklagt überhöhte Entgeltforderung der Telekom für Nutzung der Kabalkanäle

Die Klägerin machte geltend, der Vergleich des regulierten Entgelts mit der von ihr nach den Mietverträgen zu zahlenden Vergütung, die 3,41 Euro pro Meter und Jahr betrage, zeige, dass diese deutlich überhöht sei. Da sie keine Möglichkeiten habe, die Breitbandkabel anderweitig unterzubringen, komme der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung zu, die sie durch die Forderung eines überhöhten Entgelts missbrauche. Die Klägerin fordert die Rückzahlung eines Teils der in der Vergangenheit gezahlten Entgelte und begehrt die Feststellung, dass sie künftig nicht verpflichtet sei, an die Beklagte mehr als einen bestimmten Betrag pro Monat zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Kartellsenat des BGH diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

OLG: Wirtschaftlicher Zusammenhang mit Erwerb verbietet Mietherabsetzung

Das OLG hatte angenommen, der Beklagten komme zwar eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermietung von Kabelkanalanlagen zu. Ihr könne jedoch kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB zur Last gelegt werden, wenn sie die vertraglich vereinbarte Miete von der Klägerin verlange. Zwischen dem Kaufpreis für den Erwerb der Regionalgesellschaften einerseits und den Kosten für die Miete der Kabelkanalanlagen andererseits habe ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestanden. Deshalb sei es der Klägerin verwehrt, eine Herabsetzung der Miete zu verlangen. Denn dies komme wirtschaftlich einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises nahe.

BGH: Missbrauchskontrolle eröffnet – Einzelfallumstände entscheiden über Missbrauch

Diese Begründung ist nach Auffassung des BGH nicht tragfähig. Begründe der Erwerb eines langfristig nutzbaren Investitionsguts von einem bestimmten Unternehmen einen spezifischen Bedarf des Erwerbers, den er nur bei diesem Unternehmen befriedigen kann, unterlägen die hierfür geforderten Entgelte grundsätzlich der Missbrauchskontrolle nach § 19 GWB. Sollten die Entgelte überhöht sein, könnte das Zahlungsverlangen nicht schon deshalb und zeitlich unbegrenzt als sachlich gerechtfertigt angesehen werden, weil die Mietverträge im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrags über den Erwerb der Regionalgesellschaften durch die Klägerin geschlossen wurden und die Aufwendungen für die Miete der Kabelkanalanlagen Auswirkungen auf den Kaufpreis hatten, betonte das Gericht. Für die Frage, ob ein missbräuchliches Verhalten vorliegt, käme es dann vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei könnten insbesondere die konkreten vertraglichen Absprachen, die Umstände ihres Zustandekommens, aber auch spätere Entwicklungen der Verhältnisse und die Reaktionen der Parteien hierauf Bedeutung erlangen.

BGH, Urteil vom 24.01.2017 - KZR 2/15

Redaktion beck-aktuell, 25. Januar 2017.

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