Teilungserklärung schließt Nutzung zu Wohnzwecken aus
Die Teileigentümergemeinschaft besteht aus der Klägerin und der Beklagten. Bei der Errichtung des Gebäudes zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde es als Kinderheim konzipiert und zunächst auch als solches genutzt. In den 1970er Jahren erfolgte die Aufteilung in zwei Teileigentumseinheiten (vgl. dazu § 1 Abs. 3 WEG). Zu dieser Zeit befand sich in der deutlich größeren Einheit Nr. 1, die inzwischen im Eigentum der Beklagten steht, ein Altenpflegeheim. In der Einheit Nr. 2 der Klägerin wurde fortlaufend eine Arztpraxis betrieben. Heute ist dort eine kardiologische Praxis ansässig. In der Teilungserklärung heißt es, "dass mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an bestimmten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, verbunden wird".
Teileigentümerin will früheres Altenpflegeheim als Flüchtlingsunterkunft nutzen
Die Einheit Nr. 1 - das frühere Altenpflegeheim - steht seit dem Jahr 2003 leer. Die Beklagte kündigte zunächst an, darin ein Arbeiterwohnheim einzurichten. Nun will sie die Einheit als Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge nutzen. Auf die von der Klägerin erhobene Unterlassungsklage untersagte das Amtsgericht der Beklagten, in dem Teileigentum Nr. 1 eine Unterkunft für "Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder Gestrandete zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen." Das Landgericht wies die Berufung zurück. Die Beklagte ging in Revision.
BGH: Flüchtlingsunterkunft in Teileigentumseinheit zulässig
Der BGH hat den Beschluss des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 WEG verneint, da die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungsformen im Grundsatz zulässig seien. Bislang habe in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur zwar im Ausgangspunkt Einigkeit darüber bestanden, dass eine Nutzung als Heim oder als heimähnliche Einrichtung nicht zu Wohnzwecken dient. Allerdings sei umstritten und höchstrichterlich ungeklärt gewesen, welche Kriterien ein Heim ausmachten.
BGH nennt Kriterien für "Heim"
Der BGH hat nun bestimmt, dass eine (nicht zu Wohnzwecken dienende) Nutzung als Heim dadurch gekennzeichnet werde, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Die Grenzen einer Wohnnutzung würden überschritten, wenn die Nutzung nicht nur durch die schlichte Unterkunft, sondern durch die von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur und - je nach Zweck des Aufenthalts - durch Dienst- oder Pflegeleistungen und/oder durch Überwachung und Kontrolle geprägt wird. Insoweit bedürfe es einer Gesamtschau verschiedener Kriterien, die die Art der Einrichtung und die bauliche Gestaltung und Beschaffenheit der Einheit einbeziehe. Im Bereich der Altenpflege sei das betreute Wohnen als Wohnnutzung anzusehen, nicht aber eine Nutzung durch stationäre Pflegeeinrichtungen, die in erster Linie Pflege- und Betreuungscharakter haben.
Unterbringung in Gemeinschaftsunterkuft verlangt heimtypische Organisationsstruktur
Laut BGH ist die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 AsylG in der Regel als heimähnliche Unterbringung anzusehen, die grundsätzlich nur in Teileigentumseinheiten erfolgen könne. Denn in der Gesamtschau mit der erforderlichen baulichen Größe und Ausgestaltung der Einheit machten das enge Zusammenleben, die Anzahl und die häufige Fluktuation der Bewohner eine heimtypische Organisationsstruktur erforderlich. In typisierender Betrachtung fehle es an einer Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises. So müssten Zimmer zugewiesen, Verhaltensregeln aufgestellt und durchgesetzt und etwaige Konflikte zwischen den Bewohnern geschlichtet werden. Ob solche Leistungen tatsächlich erbracht würden, sei für die Unterscheidung zwischen Wohn- und Heimnutzung unerheblich. Entscheidend sei, dass sie objektiv erforderlich sind, um ein gedeihliches Zusammenleben der Bewohner zu gewährleisten. Vergleichbare Kriterien gölten bei einem Arbeiterwohnheim. Daran gemessen dienten die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungen nicht zu Wohnzwecken.
Teilungserklärung schreibt Nutzung als Altenheim nicht klar vor
Die LG-Entscheidung stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Der maßgeblichen Teilungserklärung lasse sich nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass die Einheiten ausschließlich als Altenpflegeheim oder Praxis dienen dürfen, also auch für die Zukunft die Fortsetzung der zur Zeit der Aufteilung ausgeübten Nutzung vereinbart worden ist. Infolgedessen dürfe die Einheit zwar nicht zum Wohnen, aber zu jedem anderen Zweck genutzt werden. Und damit auch - jedenfalls im Grundsatz - für die von der Beklagten beabsichtigten Nutzungsformen.