Strikte Trennung von Vergabestelle und kommunalem Eigenbetrieb

Betreibt eine Gemeinde einen eigenen Energieversorgungsbetrieb, ist die Vergabestelle mit Blick auf das kommunale Leitungsnetz personell und organisatorisch komplett davon zu trennen. Dies erfordert laut Bundesgerichtshof eine Organisationsstruktur, in der ein Informationsaustausch zwischen den handelnden Personen nur innerhalb des dafür vorgesehenen Vergabeverfahrens für das Leitungsnetz erfolgt. Dadurch solle eine Bevorzugung des Eigenbetriebs und damit der "böse Schein" mangelnder Objektivität der Behörde vermieden werden.

Neuvergabe der Wegenutzungsverträge

Eine Stromnetzbetreiberin verlangte die Feststellung, dass die 2018 zwischen der Stadt Bargteheide und deren eigenem Energieversorgungsbetrieb geschlossenen Konzessionsverträge für das kommunale Strom- und das Gasnetz unwirksam seien. Bis Ende 2014 hatte sie die Wegenetze für die Strom- und Gasversorgung im Gemeindegebiet betrieben. Nachdem die Verträge ausgelaufen waren, beteiligten sich sowohl die Klägerin als auch die "Stadtwerke Bargteheide GmbH" an der Neuvergabe. Die Betreiberin erwirkte per Eilverfahren, dass dem Ort die beabsichtigte Konzessionsvergabe an die Stadtwerke zunächst untersagt wurde. Daraufhin leitete diese ein neues Vergabeverfahren ein, in dessen Verlauf die Betreiberin gegenüber dem stadteigenen Betrieb den Kürzeren zog. Für die Auswahl förmlich zuständig war der Büroleiter der Bürgermeisterin, der die Angebote von einem kommunalen Angestellten weitergeleitet bekam. Der Büroleiter war laut Organigramm Vorgesetzter des Kämmerers, der gleichzeitig die Geschäfte der Stadtwerke leitete. Während das Landgericht Kiel die Klage abwies, gab das Oberlandesgericht Schleswig ihr zum Teil statt (BeckRS 2020, 41418). Ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot könne aber nicht festgestellt werden, so die Begründung, da die inhaltliche Bearbeitung durch eine Anwaltskanzlei erfolgt sei. Die Revision der Klägerin beim BGH führte auch insoweit zum Erfolg.

Neutralitätsgebot wurde missachtet

Dem Kartellsenat zufolge hat die Stadt bei der Vergabeentscheidung das Diskriminierungsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und des § 46 Abs. 1 EnWG missachtet. Es habe an einer vollständigen organisatorischen und personellen Trennung zwischen den Stadtwerken und der Vergabestelle gefehlt. Regelungen, um einen Wissenstransfer zwischen den beiden Stellen sowie einen Interessenkonflikt zu verhindern, habe es nicht gegeben. Diese hätten laut den Bundesrichtern sicherstellen können, dass die Gemeinde – da durch eine gleichzeitige Stellung als Vergabestelle und Bieter ein Interessenkonflikt besteht – gegenüber allen Bewerbern um das Wegenutzungsrecht die gebotene Neutralität wahrt und zudem die gebotene diskriminierungsfreie Vergabeentscheidung gewährleistet ist. Sie habe durch eine besondere Organisationsstruktur sicherstellen müssen, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild die Bevorzugung des Eigenbetriebs und der "böse[...] Schein" mangelnder Objektivität der Vergabestelle vermieden werde.

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2022.