Streit um Zitate: Keine Geldentschädigung für Kohl-Witwe
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© Andreas Arnold / dpa

Die Witwe und Alleinerbin des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl ist im Streit um eine Geldentschädigung wegen Kohl-Zitaten in einem Buch vor dem Bundesgerichtshof gescheitert. Ein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei grundsätzlich nicht vererblich, so der BGH. In dem Verfahren um Unterlassungsansprüche war die Revision der Witwe, wie auch die des beklagten Verlags, teilweise erfolgreich.

Kohl-Witwe begehrte Geldentschädigung und Unterlassung

Im Oktober 2014 erschien im Heyne-Verlag aus der Verlagsgruppe Random House (Drittbeklagte) das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle", das der Historiker und Journalist Heribert Schwan (Erstbeklagter) zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Journalisten Jens Tilmann (Zweitbeklagter) verfasst hatte. Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des vormaligen, 2017 verstorbenen Bundeskanzlers  Helmut Kohl. Laut Beklagten stammen die Äußerungen aus aufgezeichneten Gesprächen, die Schwan als Ghostwriter mit Kohl geführt hatte, um Kohls Memoiren zu schreiben. Kohl sah sich durch 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen sowie auf Zahlung einer Geldentschädigung von mindestens fünf Millionen Euro. Nach Kohls Tod hat seine Witwe und Alleinerbin Maike Kohl-Richter den Rechtsstreit fortgeführt.

OLG: Keine Geldentschädigung, aber Unterlassung

Das Landgericht Köln verurteilte die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von einer Million Euro und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht Köln die Leistungsklage vollumfänglich ab, da der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich sei, sodass der Klageanspruch jedenfalls mit Kohls Tod erloschen sei. Dagegen legte Kohls Witwe Revision ein. Die Unterlassungsklage hatte vor dem LG Erfolg, die Berufung von Schwan dagegen scheiterte. Die anschließend von Schwan eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Die Berufungen von Tilman und dem Verlag hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Sowohl die Witwe Kohls als auch Tilman und der Verlag gingen in Revision. Nach dem Tod Tilmans wurden beide Verfahren insoweit unterbrochen, sodass Gegenstand der verkündeten Urteile nur die gegen Schwan und den Verlag geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung beziehungsweise nur der gegen den Verlag gerichtete Unterlassungsanspruch sind.

BGH: Anspruch auf Geldentschädigung grundsätzlich nicht vererblich

Der BGH hat Revision der Kohl-Witwe in Bezug auf die Geldentschädigung zurückgewiesen. Die grundsätzliche Unvererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entspreche der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Begründet werde sie mit der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs, bei der der Genugtuungsgedanke im Vordergrund stehe. Einem Verstorbenen könne Genugtuung aber nicht mehr verschafft werden. Durchgreifende Gründe, diese Rechtsprechung aufzugeben, seien nicht ersichtlich. Schließlich hätten im Streitfall auch keine besonderen Umstände vorgelegen, die (ausnahmsweise) zur Vererblichkeit geführt hätten. Insbesondere werde der Geldentschädigungsanspruch nicht dadurch vererblich, dass er dem Erblasser noch zu dessen Lebzeiten zugesprochen wird, wenn das entsprechende Urteil bei Eintritt des Todes - wie hier - noch nicht rechtskräftig ist.

Verlag muss nur Verbreitung von Fehlzitaten unterlassen

Hinsichtlich der Unterlassung hatten die Revisionen beider Parteien teilweise Erfolg. Der von der Kohl-Witwe geltend gemachte deliktische Unterlassungsanspruch gegenüber dem Verlag, mit dem Kohl anders als mit Schwan keine (konkludente) Verschwiegenheitsvereinbarung über den Tod hinaus getroffen habe, beschränke sich auf die Veröffentlichung und Verbreitung von im Buch vorhandenen Fehlzitaten. Nur insoweit verletzten Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Buchpassagen das von ihr wahrgenommene postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes. Soweit keine Fehlzitate vorlägen, bestehe keine Unterlassungspflicht des Verlags. Eine solche folge entgegen dem OLG insbesondere nicht daraus, dass Kohl einer Veröffentlichung einiger Aussagen schon im Rahmen der Memoirengespräche ausdrücklich widersprochen hatte ("Sperrvermerkszitate"), noch daraus, dass die Wiedergabe wörtlicher Zitate eine unzulässige "bildnisgleiche" oder "intensive" Verdinglichung seiner Person darstellte.

Verlag darf Fehlzitate aber auch nicht sinngemäß verbreiten

Soweit sich die Zitate auf der Grundlage der OLG-Feststellungen abschließend als Fehlzitate einordnen ließen, sei die Revision des Verlags daher zurückgewiesen worden, soweit sie sich abschließend als zutreffend beurteilen ließen, sei das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen worden. Soweit sich Richtigkeit oder Falschheit von Zitaten bislang nicht beurteilen lasse, müsse das OLG nun noch Feststellungen nachholen. Die Revision der Kohl-Witwe hatte insoweit Erfolg, als das OLG die Unterlassungsverpflichtung des Verlags auch hinsichtlich der (möglichen) Fehlzitate auf die wörtliche Wiedergabe der im Buch als wörtliche Zitate gekennzeichneten Aussagen beschränkt hatte. Denn das postmortale Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzende Fehlzitate dürften auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden, so der BGH.

BGH, Urteil vom 29.11.2021 - VI ZR 248/18

Redaktion beck-aktuell, 29. November 2021.