Strategiewechsel von VW betraf auch konzerneigene Marke Audi
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Seitdem der Volkswagenkonzern mit dem "Dieselskandal" am 22.09.2015 an die Öffentlichkeit ging, ist der Vorwurf der Sittenwidrigkeit generell, auch gegenüber anderen Konzernmarken, nicht mehr gerechtfertigt. Laut Bundesgerichtshof kann allein der Einsatz eines Thermofensters nicht belegen, dass die für das Unternehmen handelnden Personen dies als illegal angesehen und gebilligt haben. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage genüge nicht.

Audiwagen mit VW-Dieselmotor

Der Käufer eines gebrauchten Audi A4 2.0 TDI mit eingebautem Dieselmotor der VW AG verlangte vom beklagten Ingolstädter Autohersteller die Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen Einsatz eines Thermofensters. Der Kläger hatte den 2012 erstmals zugelassenen Wagen am 17.11.2015 für 25.000 Euro erworben. Am 22.09.2015 hatte die VW AG, die Muttergesellschaft der Beklagten, bekannt gegeben, dass sie illegale Abschalteinrichtungen verwendete. Das daraufhin entwickelte Software-Update wurde auch bei dem klägerischen Fahrzeug aufgespielt. Der Audi-Käufer teilte mit, der Vorsatz der Beklagten sei nicht durch die im September 2015 herausgegebene Ad-hoc-Mitteilung entfallen. Die Klage auf Zahlung von 26.067 Euro scheiterte vor dem Landgericht Ulm. Der Käufer erkannte eine Nutzungsentschädigung von 4.672 Euro an, verlor aber auch beim Oberlandesgericht Stuttgart. Zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs habe es an einer sittenwidrigen Veranlassung seitens der Audi AG gefehlt, so die Begründung. Die Revision beim BGH hatte keinen Erfolg.

Auch andere Konzernmarken betroffen

Dem III. Zivilsenat zufolge kam das OLG zu Recht zu dem Ergebnis, dass der Audi-Konzern dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt habe (§§ 826, 31 BGB). Ab dem 22.09.2015 sei der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bezogen auf das unternehmerische Gesamtverhalten gegenüber späteren Käufern nicht mehr gerechtfertigt. Sowohl die VW AG als auch die beklagte Audi AG als deren Tochtergesellschaft hätten ihr Verhalten nach außen erkennbar im Sinne eines grundlegenden Strategiewechsels maßgeblich geändert. Volkswagen habe direkt eingeräumt, dass andere Marken ebenfalls betroffen seien. Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten habe sich auch nicht in lediglich veränderter Form fortgesetzt, weil diese mit dem Software-Update, wodurch die unzulässige Umschaltlogik entfernt wurde, eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) implementiert habe. Aus Sicht der obersten Zivilrichter kann zwar unterstellt werden, dass mit dem Update eine neue unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 installiert worden war. Der darin liegende – unterstellte – Gesetzesverstoß reiche jedoch nicht aus, um das Gesamtverhalten der Audi AG als sittenwidrig zu qualifizieren. Allein aus dem Einsatz eines Thermofensters könnten keine Anhaltspunkte dafür hergeleitet werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen dies als illegal angesehen und gebilligt haben. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage genüge für die Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit hingegen nicht.

BGH, Urteil vom 13.01.2022 - III ZR 205/20

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2022.