BGH: Strafvollzugsbedienstete haften nicht für Straftat eines Gefangenen im offenen Vollzug

Verursacht ein mehrfach wegen Verkehrsdelikten vorbestrafter Strafgefangener im offenen Vollzug einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang, kann den für die Lockerung der Haftbedingungen verantwortlichen Strafvollzugsbediensteten mangels Vorhersehbarkeit nicht der Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemacht werden. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.11.2019 entschieden und damit die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben (Az.: 2 StR 557/18).

Freigänger verursachte Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang

Die in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten als Abteilungsleiter im Strafvollzug tätigen Angeklagten gewährten einem bereits vielfach wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Strafgefangenen im offenen Vollzug Ausgang unter der Auflage, kein Fahrzeug zu führen. Während seines Ausgangs führte der Strafgefangene ohne Fahrerlaubnis dennoch ein Fahrzeug. Nachdem er in eine Polizeikontrolle geriet und flüchtete, stieß er als “Geisterfahrer“ mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen, dessen Fahrerin dabei tödlich verletzt wurde. Der Strafgefangene ist wegen dieser Tat wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht verurteilte die beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu Bewährungsstrafen.

BGH spricht Angeklagte vom Vorwurf fahrlässiger Tötung frei

Auf die Revision der Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Angeklagten freigesprochen. Die Entscheidungen der Angeklagten, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm weitere Lockerungen zu gewähren, sei nicht sorgfaltspflichtwidrig gewesen. Vollzugsbedienstete hätten bei jeder Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit einerseits und dem grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse eines Strafgefangenen andererseits abzuwägen.

Vollzugsbedienstete haben im Rahmen der Vorschriften gehandelt

Die Angeklagten hätten hier im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gehandelt, so der BGH weiter. Anlass, weitere Informationen einzuholen, habe für die Angeklagten hier insoweit nicht bestanden. Sie hätten – aus der maßgeblichen Sicht zum damaligen Zeitpunkt – alle relevanten für und gegen eine Vollzugslockerung sprechenden Aspekte berücksichtigt und den mit Entscheidungen über Vollzugslockerungen verbundenen Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

Tatgeschehen war letztlich nicht vorhersehbar

Ob im weiteren Vollzugsverlauf den gebotenen Kontroll- und Überwachungspflichten ausreichend nachgekommen worden sei, sei hier nicht von Belang. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung komme nicht in Betracht, wenn das zum Tod führende Geschehen so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liege, dass mit ihm nicht gerechnet werden könne oder müsse. Der hier vom Landgericht erschöpfend festgestellte Fluchtablauf, bei dem der Strafgefangene auch das Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit verwirklicht habe, wäre in diesem Rechtssinne nicht vorhersehbar gewesen.

BGH, Urteil vom 26.11.2019 - 2 StR 557/18

Redaktion beck-aktuell, 26. November 2019.

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