Störungsabwehrkompetenz in verwalterloser Zweier-WEG

Ein Wohnungseigentümer kann sich auch nach der WEG-Reform 2020 weiterhin selbst gegen Störungen seines Sondernutzungsrechts wehren. Laut Bundesgerichtshof besteht zudem für Verfahren, die bereits vor dem 01.12.2020 anhängig waren, die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Mitglieds für Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums fort, solange die Gemeinschaft keinen entgegenstehenden Willen bekundet. Dies gelte auch für eine verwalterlose Zweiergemeinschaft.

WEG-Mitglied verlangt Beseitigung einer Mauer- und Zaunanlage

Ein Mitglied einer verwalterlosen Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte vom einzig anderen Eigentümer, eine von diesem 2018 auf dem Gemeinschaftseigentum errichtete Betonmauer inklusive Holzzaun und Tor zu beseitigen. Der Klägerin stand zudem ein Sondernutzungsrecht an zwei Stellplätzen zu. Während das AG Büdingen der Klage stattgab, scheiterte sie beim LG Frankfurt am Main. Abwehrrechte aus dem an die Stelle des § 15 Abs. 3 WEG a.F. getretenen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG stünden nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht nur noch der Gemeinschaft zu, so die Begründung der Frankfurter Landgerichtsrichter. Insoweit sei die Eigentümerin nicht mehr aktivlegitimiert. Für Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums gelte nach § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG das gleiche. Das Sonderrecht in Gestalt der Parkplätze sei nicht beeinträchtigt worden. Die Revision beim BGH hatte vorerst Erfolg.

Schutz des Sondernutzungsrechts

Aus Sicht des V. Zivilsenats kann die Wohnungseigentümerin auch nach der WEG-Reform 2020 Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB, die auf die Abwehr von Störungen ihres im Grundbuch eingetragenen Sondernutzungsrechts gerichtet sind, weiterhin selbst geltend machen. Dem stehe § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG nicht entgegen. Bei solchen Ansprüchen handele es sich nicht um sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte. Hier sei jedoch nur das Gemeinschaftseigentum betroffen.  

Fortbestehende Prozessführungsbefugnis

Der BGH monierte trotzdem, dass das LG der Klägerin rechtsfehlerhaft die Prozessführungsbefugnis abgesprochen habe. Zwar übe die Gemeinschaft nach § 9a Abs. 2 WEG die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Für die bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren bestehe die Prozessführungsbefugnis des Eigentümers aber über diesen Zeitpunkt fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht werde. Beurteilungsgrundlage sei das Außenverhältnis, auch bei einer verwalterlosen Zweiergemeinschaft. Der BGH verwies die Sache an das LG zurück.

BGH, Urteil vom 01.10.2021 - V ZR 48/21

Redaktion beck-aktuell, 10. Januar 2022.