Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen

Die vom Bundesfinanzhof veranlasste ergänzende Vertragsauslegung im Verhältnis des leistenden Bauunternehmers zum Bauträger findet auch dann Anwendung, wenn das Finanzamt irrtümlich den Unternehmer als Steuerschuldner heranzieht. Laut Bundesgerichtshof hat er einen Anspruch auf Restwerklohn in Höhe der Umsatzsteuer, wenn er selbst Gefahr läuft, diese entrichten zu müssen.

Finanzamt zieht Bauunternehmerin als Steuerschuldnerin heran

Das Land Baden-Württemberg verlangte aus abgetretenem Recht einer Bauunternehmerin von einer Bauträgerin restlichen Werklohn in Höhe eines Umsatzsteuerbetrags von 182.000 Euro. Die von Dezember 2010 bis Mai 2011 gestellten Schlussrechnungen lauteten vereinbarungsgemäß auf Nettobeträge und enthielten jeweils den Zusatz, dass sich die Steuerschuld "nach § 13b UStG" richte. Das Baubüro beglich die Summe und führte den Betrag an das Finanzamt ab. Nachdem der Bundesfinanzhof 2013 entschieden hatte, dass Bauträger für die von ihnen in Auftrag gegebenen Bauleistungen nicht mehr Schuldner der Umsatzsteuer seien, verlangte die Beklagte erfolgreich die für 2010 und 2011 abgeführten Umsatzsteuerbeträge zurück. Daraufhin korrigierte die Unternehmerin ihre Rechnungen und trat ihre Ansprüche im Herbst 2019 an das süddeutsche Bundesland ab. Nunmehr sollte sie die Umsatzsteuern entrichten. Indes zahlte die Bauträgerin vorgerichtlich den geforderten Betrag "unter Vorbehalt der Rückforderung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz". Sowohl beim LG Heilbronn als auch beim OLG Stuttgart war die Klage erfolgreich - anders lief es in der Revision der Beklagten beim BGH.

Ergänzende Vertragsauslegung ist anzuwenden

Dem VII. Zivilsenat zufolge ergibt sich der Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns aus einer ergänzenden Auslegung des zwischen der Bauunternehmerin und der Beklagten geschlossenen Bauvertrags nach §§ 133, 157 BGB. Das Verständnis, dass beide Vertragsparteien übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers nach § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG a.F. ausgegangen seien, habe sich mit Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs aus 2013 (DStR 2013, 2560) als unzutreffend herausgestellt. Laut den obersten Zivilrichtern kann offen bleiben, ob gegenüber der Bauunternehmerin eine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Denn es genüge für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke, dass für den Bauunternehmer - mangels getroffener Regelung - die Gefahr bestehe, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer selbst entrichten zu müssen (§ 27 Abs. 19 UStG). In Folge der geänderten Verwaltungspraxis und des Umstands, dass die Beklagte Erstattungsanträge gestellt habe, habe sich diese Gefahr  verwirklicht. Ein schutzwürdiges Interesse ihrerseits an einem umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Leistungsbezug sei unter Berücksichtigung der Gesamtinteressenlage der Vertragsparteien nicht erkennbar.

BGH, Urteil vom 14.10.2021 - VII ZR 242/20

Redaktion beck-aktuell, 29. November 2021.