Ein Ehepaar radikalisierte sich und zog nach Syrien, um sich dort mitsamt der drei Kinder dem IS (Islamischer Staat) anzuschließen. Die Frau musste hinnehmen, dass ihr erster wie auch später ihr zweiter Gatte als IS-Kämpfer ihre Leben ließen. Der IS-Doktrin blieb sie gleichwohl verhaftet und zog auch ihre inzwischen vier Kinder in deren Sinne groß. Während der Islamische Staat sie anfangs noch alimentierte, wurde das Geld zunehmend knapper, so dass sie und auch die Kinder in einem IS-Frauenhaus und später in einem Lager sehr prekär lebten.
In diesem Zeitraum wandte sie sich an ihre Mutter und Schwester in Deutschland und bat um Hilfe. Ihre Verwandten schickten ihr über drei Jahre lang monatlich durchschnittlich 170 Euro, machten aber klar, dass sie die Organisation ablehnten. Sie achteten auch darauf, dass ihr Geld tatsächlich nur für Lebensmittel und Kleidung ihrer Angehörigen ausgegeben wurde. Sie kooperierten mit dem hiesigen Verfassungsschutz, wurden aber dennoch wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland angeklagt.
Die Anklage wurde vom OLG München nicht eröffnet. Auch die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft zum BGH blieb erfolglos, denn der 3. Strafsenat (Beschluss vom 31.10.2024 – StB 21/24) hält das Verhalten der Angeschuldigten für straflos.
Unterstützung des IS oder humanitäre Hilfe?
Während die Staatsanwaltschaft jegliche Überweisung an ein IS-Mitglied als strafbare Unterstützung nach § 129 Abs. 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB betrachtete, differenzierte der BGH: Zahlungen zur Deckung rein persönlicher Bedürfnisse, die der Organisation nicht zugutekommen, seien erlaubt.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter machten aber den Ausnahmecharakter dieses Falls deutlich: Grundsätzlich hätten die Angeschuldigten es der Frau durch die Zahlungen weiter ermöglicht, sich für den IS zu betätigen, und handelten diesbezüglich auch bedingt vorsätzlich. Nur in sehr eng umgrenzten Ausnahmefällen könnten solche Handlungen straflos bleiben: Wenn emotional oder familiär verbundene Außenstehende Geld oder Sachmittel zuwenden, die ausschließlich für den Lebensunterhalt bestimmt sind und sich in Höhe und Frequenz am Grundbedarf der Empfängerin ausrichten.
Sozialübliche Verwandschaftshilfe kann straffrei bleiben
Der 3. Strafsenat begründete seine Ansicht mit dem fehlenden Deliktsbezug: Die Unterstützung einer notleidenden Verwandten und vor allem der Kinder entspreche sozialüblichem Verhalten. Es bestehe keinerlei Bedürfnis, dieses Verhalten zu ahnden, solange die Spender darauf achteten, den IS gerade nicht zu fördern. Der BGH betrachtete die Tat eher wie die Figur der straflosen Beihilfe durch eine neutrale Handlung (wie etwa den Verkauf einer Tüte Milch an ein Mitglied einer Bande).
Nach den Chatverläufen der Familie war ihre Verwandte nicht dazu zu verleiten, zurück nach Deutschland zu kommen. Sie wäre, so der BGH, auch ohne die Zuwendungen in dem Frauenlager geblieben und hätte eher den Hungertod hingenommen als nach Deutschland zu kommen und dort "unter Ungläubigen zu leben". Ihre Familie hingegen habe ihre Ablehnung des IS immer wieder deutlich gemacht. Der IS hatte laut dem 3. Strafsenat unabhängig von der Förderung aus der Familie die Alimentierung bereits drastisch gekürzt, die Zuwendungen hätten dem IS daher keinerlei Aufwendungen erspart.
Da die Familie an ihre Angehörige direkt gezahlt hatte – ohne Umweg über die Organisation – sei dem IS auch keinerlei Prestige dadurch zugutegekommen. Er habe die Spenden nicht für sich verbuchen und damit nach außen hin signalisieren können, dass er für seine Angehörigen sorge.