Stationsentgelte: Ersatzansprüche bei Preishöhenmissbrauch

Eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG ist als marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet, nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Stationsnutzungsentgelte zu erheben. Sie darf nicht grundlos unterschiedliche Preise für vergleichbare Leistungen fordern und damit Wettbewerber benachteiligen, wie der Bundesgerichtshof in einer ausführlichen Entscheidung herausgearbeitet hat.

Streit um die Höhe von Stationsnutzungsentgelten

Ein Eisenbahnunternehmen verlangte von einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG die Rückzahlung von Stationsnutzungsentgelten in Höhe von rund 750.000 Euro. Das Bahnunternehmen nutzte Bahnstationen der Firma im Rahmen des Nahverkehrs. Die Parteien hatten Ende 1998 einen Rahmenvertrag geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt galt das Stationspreissystem 1999, das Einzelpreise für jede von der Bahntochter betriebene Station vorsah. Anfang 2005 führte diese ein neues Preissystem ein (SPS 05), nach dem die Entgelte nach bestimmten Preiskategorien und bezogen auf die jeweiligen Bundesländer pauschal ermittelt wurden. Die Einordnung eines Bahnhofs in eine der sechs Stationskategorien richtete sich dabei nach einer Vielzahl von Faktoren. Das neue System führte bei dem Verkehrsunternehmen zu Preiserhöhungen. Ab sofort zahlte sie die erhöhten Beiträge nur noch unter Vorbehalt. Das LG Leipzig gab ihrer Klage überwiegend statt. Auf die Berufungen beider Parteien verurteilte das OLG Dresden die Bahntochter zur Zahlung von 475.000 Euro: Das neue Preissystem halte einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht stand und sei daher nicht verbindlich. Beide Parteien akzeptierten diese Entscheidung nicht.

BGH: Erstattungsansprüche nicht ausgeschlossen

Die Revisionen waren vor dem BGH am 01.09.2020 erfolgreich. Er verwies die Sache an das OLG Dresden zurück. Aus Sicht der Bundesrichter steht die vom Berufungsgericht am Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB vorgenommene Überprüfung der nach Maßgabe des neuen Preissystems gezahlten Stationsentgelte nicht in Einklang mit den vorrangigen Vorgaben der europäischen RL 2001/14/EG (Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und Sicherheitsbescheinigung). Diese seien auch bei der Kontrolle von Stationsentgelten zu beachten. Dem Kartellsenat zufolge kann mit der vom OLG gegebenen Begründung ein Rückzahlungsanspruch des Bahnunternehmens in der geltend gemachten Höhe nicht verneint werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem Verkehrsunternehmen Ansprüche nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, § 33 Abs. 3 GWB a.F. zustehen, soweit ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV vorliege. Sei das Entgelt missbräuchlich überhöht, fehle es an einem rechtlichen Grund für die Leistung an das marktbeherrschende Unternehmen, und das Entgelt sei an den Vertragspartner herauszugeben.

OLG soll auch Stationspreissystem prüfen

Der BGH erteilte ferner den Hinweis, dass das OLG in Betracht ziehen müsse, dass bereits das von der Bahntochter verwendete Stationspreissystem missbräuchlich nach Art. 102 AEUV sein könne. Es führe zu sachlich ungerechtfertigte Preisspaltungen sowie einer Ungleichbehandlung von Handelspartnern.

BGH, Urteil vom 01.09.2020 - KZR 12/15

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2020.