Unfall an einer Kreuzung
Eine Geschädigte nahm den Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers auf Zahlung von Schmerzensgeld von 750 Euro in Anspruch. Der Versicherungsnehmer war im November 2015 von hinten auf ihr an einer Kreuzung stehendes Fahrzeug gefahren. Die Airbags öffneten sich nicht. Bis zu diesem Unfall - ihrem ersten - sei sie beschwerdefrei gewesen. Unmittelbar nach dem Ereignis habe sie unter Kopfschmerzen gelitten. Nachdem sie sich habe übergeben müssen, sei sie ins Krankenhaus gegangen. Dort sei eine HWS-Distorsion 2. Grades diagnostiziert worden. Sie sei zunächst bis zum 26.11.2015 krankgeschrieben worden. In dieser Zeit habe sie unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie starken Kopf- und Nackenschmerzen gelitten. Als diese nicht besser wurden, sei sie am 30.11.2015 erneut krankgeschrieben worden und habe vom Arzt verordnete Schmerzmittel eingenommen. Die Klage scheiterte sowohl beim AG Bielefeld als auch beim dortigen LG. Es gebe Zweifel, dass die festgestellten Befunde eine Primärverletzung darstellten. Dem Sachverständigen zufolge sei die An- und Verspannung eher durch die Erinnerung an zwei tödliche Verkehrsunfälle ausgelöst worden. Die Revision beim BGH hatte Erfolg.
Haftung auch für psychische Auswirkungen
Dem VI. Zivilsenat zufolge kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG nicht mit der Begründung des LG verneint werden. Die Bielefelder Kollegen hätten den Bedeutungsgehalt des Begriffs der Primärverletzung verkannt, so die Kritik aus Karlsruhe. Sie hätten zudem übersehen, dass der Schädiger grundsätzlich auch für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlung haftungsrechtlich einzustehen hat. Unter den Schutzzweck der einschlägigen deliktischen Sorgfaltspflichten falle auch ein Schutz vor der Erinnerung an vergangene belastende Ereignisse, die möglicherweise zu Schmerzen führten. Als Bagatellverletzungen könnten die Kopf- und Nackenschmerzen der Klägerin dabei nicht qualifiziert werden, betonten die obersten Zivilrichter. Es spreche viel dafür, dass das schädigende Ereignis eine spezielle Schadensanlage der Klägerin (Unfalltod ihrer Freundin und ihr Einsatz als Ersthelferin bei einem Unfall mit zwei Toten) getroffen habe und nicht etwa eine allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen. Der BGH verwies die Sache daher an das LG zurück. Es müsse nun prüfen, ob die von dem Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.