Standesamtliche Eheauflösung in Italien: EuGH-Vorlage zu Eheregistereintragung

Ist eine in Italien durch Bescheid des Standesamts aufgelöste Ehe ohne weiteres Anerkennungsverfahren der Berliner Landesjustizverwaltung im Eheregister einzutragen? Zu dieser Frage hat der Bundesgerichtshof eine klare Auffassung, hat sie aber gleichwohl am 28.10.2020 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Paar heiratete standesamtlich in Berlin

Ein Italiener und seine deutsche Ehefrau verlangten die Auflösung ihrer 2013 in Berlin geschlossenen Ehe. Beide lebten in Italien. Im Jahr 2017 erklärten sie vor einem Standesbeamten in Parma zunächst die einvernehmliche Trennung, ein Jahr später wünschten sie die Auflösung ihrer Ehe. Das Standesamt in Parma stellte eine Bescheinigung nach Art. 39 Brüssel IIa-VO aus, worin die Scheidung bestätigt wurde. Dieses Verfahren kann nach italienischem Recht bei einfach gelagerten Sachverhalten, insbesondere wenn keine Kinder betroffen sind, zur Anwendung kommen. 

Streit um Beurkundung der Ehescheidung im Eheregister

Die Ehefrau wollte bei einem Standesamt in Berlin die Scheidung im deutschen Eheregister beurkunden lassen. Die Behörde hatte Zweifel und legte die Sache dem AG Schöneberg vor. Es hielt die Beurkundung erst nach Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG für möglich, da es sich um eine außergerichtliche Privatscheidung handele, die nicht unter die Brüssel IIa-VO falle. Die Senatsverwaltung verweigerte diese Anerkennung - sie sei hier unnötig. Die parallel eingelegte Beschwerde der Frau gegen den Beschluss des Amtsgerichts war erfolgreich: Das KG wies das Standesamt an, "die Fortführung des Eheregistereintrags (...) nicht von der vorherigen Anerkennung der in Italien erfolgten Scheidung der Ehe (...) durch die Senatsverwaltung für Justiz (...) abhängig zu machen". Dagegen wandte sich die Standesamtsaufsicht mit der Rechtsbeschwerde.

BGH fragt EuGH zu Anerkennung bei Scheidung im Ausland

Der BGH setzte das Verfahren aus und bat den EuGH um Vorabentscheidung. Die Bundesrichter machten ihre Zweifel an der Entscheidung des OLG deutlich: Die richtige Auslegung lasse sich weder aus der Brüssel IIa-Verordnung noch aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH eindeutig ableiten. Die Beantwortung der Frage, ob die italienische Standesamtsscheidung in den Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung falle, hänge davon ab, wie der von der Verordnung verwendete Begriff der "Entscheidung" zu verstehen sei. Dem XII. Zivilsenat zufolge hat der EuGH die Frage, ob es sich bei einer solchen Privatscheidung um eine "Ehescheidung" nach Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO handelt, verneint. Es sollten ausschließlich solche Ehescheidungen erfasst sein, die von einem staatlichen Gericht oder einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen worden seien.

BGH hat Tendenz zu Einordnung als Privatscheidung

Laut BGH ist maßgeblich, ob Rechtsgrund für die Eheauflösung der autoritative Ausspruch des Gerichts oder einer Behörde bzw. der privatautonome rechtsgeschäftliche Wille der Ehegatten ist. Letzteres sei aber nicht der Fall bei Scheidungen, bei denen sich die staatliche Mitwirkung auf Tätigkeiten beschränke, die mit Warn-, Klarstellungs-, Beweis- oder Beratungsfunktionen umschrieben werden könnten. Nur eine konstitutive Mitwirkung einer staatlichen Stelle könne die Gewähr für einen Schutz des "schwächeren" Ehegatten vor Nachteilen im Zusammenhang mit der Ehescheidung bieten. Für den Anwendungsbereich der Brüssel IIa-Verordnung kann aus Sicht des Senats nichts anderes gelten. Diese Erwägungen sprächen dafür, die italienische Standesamtsscheidung als von der Brüssel IIa-Verordnung nicht erfasste Privatscheidung einzuordnen. Nach den vom OLG getroffenen Feststellungen zum italienischen Recht bestehe keine Prüfungskompetenz des italienischen Personenstandsbeamten, die diesen Anforderungen gerecht werde.

BGH, Beschluss vom 28.10.2020 - XII ZB 187/20

Redaktion beck-aktuell, 27. November 2020.