Ein Drogenkurier stand vor dem Kadi. Ihm wurde vorgeworfen, für 500 Euro mit dem Wagen seiner damaligen Partnerin zehn Kilogramm Marihuana von Holland nach Deutschland gebracht zu haben. Nach Verlesung der Anklageschrift vermeldete eine Schöffin, sie kenne den Angeklagten. Er sei mal mit ihrer angeheirateten Nichte zusammen gewesen. Und das "Schmuggelfahrzeug" habe ihrer Nichte gehört. Nach dieser Selbstanzeige lehnte der Staatsanwalt die Laienrichterin als befangen ab.
Vergebens – die Strafkammer hielt an der Schöffin fest, weil die Beziehung zwischen ihr und dem Angeklagten nur Bekanntheitsgrad hätte und ihr letzter Kontakt schon länger als drei Jahre her war. Ihre Nichte sei auch nicht mehr mit dem Angeklagten zusammen. Der Kurier wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft erhob die Revision zum BGH und rügte die fehlerhafte Besetzung des Gerichts nach § 338 Nr. 3 StPO – mit Erfolg.
Staatsanwaltschaft ist "Wächterin des Rechts"
Zwar dürfen Staatsanwälte nach § 339 StPO keine Verletzung von Normen zum Nachteil des Angeklagten rügen, die nur zugunsten des Angeklagten gegeben sind. Die Befangenheitsvorschriften nach den §§ 22 ff. in Verbindung mit § 31 StPO gehören aber nicht dazu, erklärte der 2. Strafsenat (Urteil vom 25.10.2023 – 2 SR 195/23). Die Ausschließung und Ablehnung von Richtern dienen dem Ziel, die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Personen zu sichern. Geschützt werden solle aber nicht nur der Angeklagte, sondern auch die Unabhängigkeit der Rechtsprechung und das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte.
Der Ablehnungsantrag der Staatsanwaltschaft gegen die Schöffin sei auch berechtigt gewesen, so der BGH. Die Bekanntschaft mit dem Angeklagten ist hier laut den Karlsruher Richterinnen und Richtern nicht ausschlaggebend, aber die Laienrichterin habe ein großes Interesse daran, dass ihre Nichte nicht über ihr Auto in das Verfahren verstrickt werde. Sie werde also dem Angeklagten – je nachdem, wie er sich über ihre Nichte und deren Wissen um die Tat äußere, ihm wohlwollend oder eben ablehnend gegenüberstehen. Die Besorgnis des Staatsanwalts, der Schöffin fehle es an Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit, war daher nach Ansicht des BGH gerechtfertigt.